Lastenfahrräder erfreuen sich großer Beliebtheit bei Familien. Doch mit der Sicherheit beim Transport von Kindern sieht es oft schlecht aus, bemängeln Unfallforscher. Sie fordern deshalb schärfere Auflagen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Ein Mann fährt zügig mit seinem Kind im Lastenfahrrad, da zieht plötzlich ein orangefarbener Wagen von rechts auf die Straße. Der Radler erschrickt, will nach links ausweichen und verliert die Kontrolle: Das schwere Rad stürzt um. Der Mann und das Kleinkind knallen auf den Asphalt. „Die Folgen wären fatal. Beide könnten schwer verletzt sein“, sagt die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Kirstin Zeidler, nach dem Live-Crashtest mit Dummys in Münster.

 

Das Forschungsinstitut der Versicherungen hat sich in einer mehrjährigen Untersuchung mit Fahrradunfällen mit Kindern befasst – und zwar speziell mit den immer beliebteren Lastenfahrrädern für die Mitnahme von Kindern.

Ein Drittel der Eltern nutzen Lastenfahrräder für Kindertransport

Unterschiedliche Typen von Lastenrädern werden laut einer Online-Umfrage im Rahmen der Studie schon von knapp einem Drittel der Eltern für den Kindertransport genutzt. Die Verkaufszahlen steigen.

Es sei künftig mit einem weiter steigenden Anteil der Lastenräder für Kindertransporte zu rechnen, erklärt Zeidler. Wegen des vergleichsweise hohen Gewichts seien viele der Räder mit Elektromotor unterwegs und damit relativ schnell und noch schwerer.

Eine Fahrradfahrerin fährt mit einem Lastenfahrrad auf einem Radweg in Berlin-Friedrichshain. Foto: dpa/Fabian Sommer

Vor allem Cargo-Bikes mit zwei Vorderrädern, einem Hinterrad und der Transportbox vor dem Fahrer seien dabei schwer zu fahren und „hochgradig kippanfällig“, so Zeidler, am Donnerstag (21. März) bei der Pressekonferenz in Münster. Bei einem Unfall böten sie den Kindern keinerlei Schutz für Kopf und Oberkörper. Der Kinder-Dummy lag nach dem nachgestellten Unfall mit dem Kopf direkt auf dem Asphalt.

Schärfere Sicherheitsauflagen gefordert

Die Unfallforscherin riet zu schärferen Sicherheitsauflagen – etwa zu stabilen Sitzen mit Kopfschutz statt eines einfachen Sitzbretts, wirksamen Gurten und einer Sicherheitszelle als Aufprallschutz. Eine Neigetechnik für die Lastenfahrräder – wie von manchen Herstellern bereits angeboten – schaffe zusätzliche Stabilität. Beim Kauf sollten Eltern unbedingt auf solche Sicherheitsfeatures achten.

Bisher tragen nur rund die Hälfte der Kinder im Lastenfahrrad einen Helm. Foto: Imago/Michael Gstettenbauer

Eltern sollten den Kindern außerdem konsequent einen Helm aufsetzen. Bisher tragen der Untersuchung zufolge nur rund die Hälfte der Kinder im Lastenfahrrad einen solchen Kopfschutz – wahrscheinlich wegen des trügerischen Sicherheitsgefühls in der Lastenrad-Box, betont Zeidler.

Radunfälle mit verletzten Kindern sind bisher eher selten, ihre Zahl steigt aber. 2022 seien laut der polizeilichen Unfallstatistik bundesweit bei 222 Radunfällen mitfahrende Kinder bis sieben Jahre verletzt worden, in zwölf Fällen schwer, sagte der Untersuchungsleiter Matthias Kühn. Der Wert liege um 45 Prozent über dem Wert von 2019.

Experten sehen Verbesserungsbedarf

Kinder-Anhänger sind leicht zu übersehen und stellen sich bei scharfen Bremsungen leicht quer. Foto: Imago/Wolfgang Maria Weber

Die Unfallforscher hatten zum Vergleich auch Fahrradanhänger und Kindersitze auf dem Gepäckträger als Alternative für den Transport von Kindern untersucht. Auch hier gab es Kritik: Kinder-Anhänger seien leicht zu übersehen und stellten sich bei scharfen Bremsungen leicht quer, bemängelte Zeidler. Bei Kindersitzen auf dem Gepäckträger seien die Fallhöhe bei einem Unfall und der hohe Schwerpunkt problematisch. Das Fahrrad werde instabil – etwa beim Ausweichen und Stehenbleiben.

Auch hier sehen die Forscher Verbesserungsbedarf – etwa eine eigene Bremse und eine fest verbaute Beleuchtung für Anhänger. Zudem empfehlen die Expertinnen und Experten stabile Dreibein-Ständer für Fahrräder mit Kindersitz hinten oder eine Verringerung des maximal erlaubten Gewichts für Kinder auf dem hinteren Kindersitz von derzeit 22 auf unter 20 Kilogramm.

Vehikel mit großem Verbesserungspotenzial

Die Eltern müssen Helm und Gurt für ihre Kinder beim Fahren konsequent nutzen. Foto: Imago/Hanno Bode

Das größte Verbesserungspotenzial sehen die Forscher aber beim Lastenrad. „Lastenfahrräder haben Aufholbedarf . Und es gibt bisher kaum Vorgaben“, warnt Zeidler. In der Straßenverkehrsordnung stünden bisher gar keine speziellen Anforderungen für Lastenfahrräder, die einschlägige DIN-Norm schreibt nur einen „geeigneten Sitz für jedes Kind mit Gurtsystem“ vor.

Die Regelungslücke muss geschlossen werden, fordert Zeidler. Die Hersteller müssten mitziehen – und die Eltern Helm und Gurt auch nutzen.