Er war einer der bedeutendsten Karikaturisten: Honoré Daumier hatte einen bösen, galligen Humor, der ihn auch ins Gefängnis brachte. Was bleibt von ihm?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Natürlich saß er auch im Gefängnis. Zu sechs Monaten wurde Honoré Daumier verknackt, weil er tat, was sein Beruf war: sich über andere lustig zu machen. Aber es war auch wahrlich nicht nett, wie er den König als riesigen Fettsack dargestellt hatte, der sich den Wanst vollstopft mit dem Geld, das das arme Volk herbeischleppt. Da gab es kein Vertun, was Daumier von diesem Louis-Philippe hielt: nichts! So landete er wegen „Aufreizung zu Hass gegen die Regierung und Beleidigung des Königs“ hinter Gittern. Eine Geldstrafe bekam er auch noch aufgebrummt.

 

Heute mag es nicht mehr um das Image eines Königs gehen, trotzdem werden auch 200 Jahre später immer wieder Debatten ausgefochten, wie scharf Karikatur und Satire sein dürfen – ob es um das französische Magazin „Charlie Hebdo“ geht oder das satirische Gedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan. Im Rückblick wundert man sich nicht, dass Honoré Daumier nicht nur viel Ärger bekam, sondern bis heute als einer der wichtigsten Zeichner gilt – und das, obwohl Zeitungskarikaturen doch eigentlich für den Tagesgebrauch und nicht für die Ewigkeit produziert wurden.

Daumier stellte den König gern als Birne dar

Das Städel Museum Frankfurt erinnert nun an Daumiers spitze Feder mit einer großen Sonderausstellung und Zeichnungen, die gallig und bitterböse sind. Die Birne als Sinnbild für Helmut Kohl ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts – auch König Louis-Philippe wurde von Daumier gern als Birne dargestellt. Er zeigte ihn auch eingequetscht in eine Druckerpresse, die im doppelten Wortsinn als Folterwerkzeug genutzt wird. Bei ihm sind es feiste Kerle mit dicken Bäuchen, die regieren und die Daumier unter der Überschrift „Der Gesetzgebende Bauch“ 1834 vorführt.

Warum aber wurde Daumier, 1808 in Marseille geboren, so ein scharfer und sozialkritischer Zeichner? Lag es daran, dass die Eltern mit ihren zehn Kindern immer knapp bei Kasse waren und deshalb oft umziehen mussten? Oder daran, dass er sich schon mit zwölf Jahren sein Geld als Laufbursche des Gerichtsvollziehers verdienen musste? Nachdem er trotz Finanznot Zeichenunterricht nahm, wurde er schnell Karikaturist bei der Zeitschrift „La Caricature“. Anlass bot sich ihm in den aufgeheizten Zeiten genug – angefangen bei den Revolutionen 1830 und 1848/49 bis hin zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.

Ehrfurcht vor großer Kunst war seine Sache nicht

Aber Daumier hat nicht nur die Politik aufgespießt, sondern auch seine Zeitgenossen, Säufer und Spanner, eingebildete Kranke und gern auch den Kulturbetrieb. Die „Landschaftsmaler bei der Arbeit“ liegen bei ihm dösend im Schatten. Im Theater sitzt gerade mal ein einziger Zuschauer im Parkett – der Theaterdirektor. Und einer zeigt im Museum begeistert auf einen lächerlich schlichten nackten Fuß auf einem Gemälde. Von allzu großer Ehrfurcht vor der Kunst hielt Daumier offenbar nicht viel, so, wie er auch dem Umbau von Paris in eine moderne Großstadt wenig abgewinnen konnte.

Die zahlreichen Werke hat der Städelsche Museums-Verein übrigens gerade zum 125. Geburtstag des Städels geschenkt bekommen von dem Frankfurter Anwalt Hans-Jürgen Hellwig, der mehr als 4000 Lithografien und Holzstiche Daumiers zusammengetragen hat. Diese schiere Masse ist umso erstaunlicher, als Daumiers Zeichnungen so präzise und detailreich sind. Während heutige Karikaturen oft schnell und scherenschnittartig Szenen einfangen, hat er seine Figuren mit raffinierten Schatten und Schraffuren plastisch und lebendig werden lassen.

Eine reine Männerwelt

Schnellen Witz und prompt zündende Pointen darf man allerdings nicht erwarten. Gerade die politischen Karikaturen sind ohne Erläuterungen kaum mehr zu verstehen. Auch das Schwarz-Weiß entspricht so gar nicht mehr unseren Sehgewohnheiten. Letztlich wirken die Blätter aber auch deshalb etwas altmodisch, weil sie eine reine Männerwelt spiegeln. Frauen und Kinder findet man bei den politischen Karikaturen nicht, stattdessen kauzige Kerle und selbstgefällige Fettwanste. So wird zwar bis heute über die Grenzen der Satire diskutiert, die Gesellschaft aber, die die Karikatur aufspitzt, ist erfreulicherweise sehr viel bunter und vielfältiger geworden.

Armer, scharfer Kritiker der Macht

Armut
Daumier war eine herausragende Figur in der französischen Kunstszene des 19. Jahrhunderts. Im Alter erblindete er allerdings und starb 1879 so, wie er geboren wurde: bettelarm. Ein Jahr später wurde sein Leichnam auf dem Friedhof Père Lachaise feierlich bestattet.

Ausstellung
bis 12. Mai, geöffnet Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr.