„Sex sells“ lautet einer der ältesten Mythen der Werbung. Den nackten Körper fern von Voyeurismus rühmen drei Stuttgarter, die zur ersten Liga der Aktfotografie zählen. Auf was kommt es an in dieser Königsdisziplin?

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Mit dem amerikanischen Präsidenten hat Tina Trumpp rein gar nichts zu tun. Auch wenn sie immer wieder auf ihn angesprochen wird. „Der aus dem Weißen Haus gehört zum verarmten Zweig der Familie“, sagt die Aktfotografin, „denn er hat ja nur ein p.“

 

Mister Trump mit einem p aus Washington D.C. ist ein Macho mit frauenfeindlichem Wortschatz. Sein regelmäßig aufflammender Sexismus führt zurück in finstere Zeiten, als sich Männer den Frauen haushoch überlegen fühlten. Frau Trumpp mit zwei p aus Stuttgart verneigt sich vor dem schwachen Geschlecht. Ihre Bilder sind eine Hymne an die Frau und an ihre Schönheit.

In Salzburg stellt die Stuttgarterin „Verführungen“ aus

Frauen, die andere Frauen nackt fotografieren, sind in der Kunstszene noch immer die Ausnahme. Die Sängerin Tina Trumpp, eine Quereinsteigerin, die vom Jazz und vom Marketing erst 2014 als Autodidaktin zur Fotografie kam, genießt dank klassischer Eleganz und sinnlicher Melancholie ihrer herausragenden Werke internationale Beliebtheit. Vom 19. März bis zum 27. Juni zeigt sie „Verführungen“, so der Titel ihrer Ausstellung, in der Leica Galerie in Salzburg. Nicht immer sind es die unverhüllten Kurven, auf die man zuerst schaut. Oft sind es die Augen. Die intensiven Blicke der Models besitzen eine magische Anziehungskraft.

Verführt eine Frau mit Frauen anders als ein Mann? Weit entfernt von Playmate-Direktheit sind die Inszenierungen von Tina Trumpp – zart statt hart. Bei manchen Motiven muss man genau hinschauen, um zu erkennen, ob sie gemalt oder fotografiert sind. „Mir geht geht es nicht nur um Nacktheit“, sagt die Fotografin, die stets mit der Mittelformat-Kamera arbeitet, „es geht um Schönheit, Ästhetik und vor allem um Sinnlichkeit.“ Unter ihren Models sind viele Französinnen. In Paris findet sie Locations, die ihre Fantasie anregen. Tina Trumpp nimmt sich viel Zeit auf der Suche nach Frauen, die auf ihrer Wellenlänge sind. Beim Shooting sollen sich diese nicht entblößt vorkommen. Es läuft Musik. Wenn weibliche Solidarität entsteht zwischen Fotografin und Model, wenn das Vertrauen innig wird, kann das Resultat umso schöner werden.

Wie Skulpturen wirken ihre Models, makellos geformt

Auch wenn die Ausgaben für Reisen und die Models sehr hoch sind, kann die Stuttgarterin inzwischen gut davon leben. Ihre Prints in einer Größe von bis zu zwei Metern verkaufen sich international, oft online, an Fotokunstsammler und erzielen Preise von bis zu 20 000 Euro.

Nackte Männer fotografiert Tina Trumpp nicht. „Bei Frauen fällt mir einfach mehr ein“, sagt die 45-Jährige, „vielleicht, weil ich mich mehr mit den Gefühlen von Frauen identifizieren kann.“

Von den Gefühlen der Männer verstehen die Stuttgarter Fotokünstler Uwe Frank und Ralf Wehrle, die wie Tina Trumpp zu den besten Aktfotografen in Deutschland gerechnet werden, umso mehr. Wie Skulpturen wirken ihre Models, makellos geformt. Seit 1993 fotografieren die beiden unter ihrem Ateliernamen Black & White. Auftraggeber sind namhafte Firmen für deren Werbung. Daneben widmen sich Frank und Wehrle dem hüllenlosem, perfekten Männerkörper. Ihre Kalender – im Handel sind momentan über ein Dutzend mit Titeln wie „Naked Men“ oder „Naturburschen“ gelistet – sind Verkaufsrenner nicht nur bei Schwulen. Die weibliche Fangemeinde ist groß.

„Architekten der männlichen Aktfotografie“

„Unsere Bilder richten sich an alle, die sich an ästhetischem Akt erfreuen“, sagt Wehrle. Nackte Frauen fotografiert er nicht? „Manchmal schon, aber nicht für Veröffentlichungen, sondern nur privat.“

Ihre Models finden die Black & White-Fotografen bundesweit, aber auch aus der Schweiz und aus Österreich. Es sind in aller Regel gut trainierte Profis, keine Jungs aus dem Haus von nebenan. „Wir legen den Schwerpunkt auf Ästhetik“, erklärt Wehrle, „mit Licht und Schatten wollen wir Körper und Muskelpartien hervorheben und dabei das Model sinnlich und verführerisch inszenieren.“

Mit „Architekten der männlichen Aktfotografie“ hat man die beiden verglichen. „Wir wollen der Erotik als Kopfkino freien Lauf lassen“, erklärt Wehrle. Wie ist es für einen schwulen Mann, wenn er so viele perfekte Männerkörper fotografiert? „Für uns ist es Professionalität“, antwortet er, „und Ansporn zugleich, das Beste herauszuholen.“ Angesichts von Fotoshop und technischer Raffinesse kann die Makellosigkeit von Körpern aber auch angezweifelt werden, wenn sie viel zu schön ist, um wahr zu sein. Aber zum Träumen sind diese Werke immer gut. Kunst kommt von Können. Manchmal muss Kunst mehr können als das nicht immer schöne Leben.