Der Titelverteidiger Spanien lässt Italien keine Chance im Finale der Europameisterschaft 2012. Silva, Alba, Torres und Mata erzielen die Tore – und demütigen Italien mit 4:0 und bleiben das Maß aller Dinge.

Kiew - Da sage noch einer, Fußball-Geschichte wiederholt sich nicht: Genau wie am 29. Juni 2008 in Wien hat der spanische Keeper und Kapitän Iker Casillas am Sonntagabend im Kiewer Olympiastadion die aus Sterlingsilber gefertigte EM-Trophäe in Empfang genommen. „Coupe Henri Delaunay“ nennt sich der Wanderpokal, den der alte und neue Titelträger nach einem überzeugenden 4:0-Sieg gegen Italien in Empfang nahm .

 

Pünktlich zum Finale fand das spanische Nationalteam wieder zu Leichtigkeit, Eleganz und Effektivität. Lehrbuchartig herausgespielte Treffer von David Silva (14.), Jordi Alba (41.), sowie dem eingewechselten Fernando Torres (84.) und Juan Mata (88.) mündeten in einem Triumph, von dem die iberische Nation eine Weile zehren kann und der die Vormachtstellung im europäischen Fußball untermauerte. Dass in Torrres auch der Siegtorschütze des EM-Endspiels gegen Deutschland vor vier Jahren traf, gab diesem Sieg noch eine besondere Note.

Trainer Vicente del Bosque, der das Team auch zur WM 2014 begleiten wird, sieht sich in seiner Grundanschauung bestätigt. Die Kritik an seinem stürmerlosen System und der abgeklärteren Spielweise hatte der 61-Jährige ohnehin nicht verstanden: „Unsere Spieler haben sich verändert, aber unser Kern nicht.“ Die selbstbewussten Spanier hätten schlagkräftigere Argumente nicht nachreichen können. Nach einem einseitigen Finale konnten die 5000 mitgereisten spanischen Anhänger ihre „Viva España-“ und „Campeones“-Gesänge in der ukrainischen Hauptstadt gar nicht laut genug zum Besten geben. Ihre Selección hat sich schließlich ins Geschichtsbuch eingetragen, denn noch nie hat es eine Nationalmannschaft geschafft, innerhalb von vier Jahren zweimal die EM und einmal die WM zu gewinnen. Der Deutschland-Bezwinger Italien blieb letztlich chancenlos zurück.

Im Grunde war die Squadra Azzura früh geschlagen: Nach der ersten Traumkombination über den überragenden Xavi Hernandez und dem kongenialen Partner Andrés Iniesta flankte Cesc Fabregas den Ball punktgenau zurück, und der am Fünfmeterraum postierte Silva köpfte zum 1:0 ein. Der von den Kanaren stammende 1,70-Meter-Mann von Manchester City ist normalerweise selbst der Flankengeber, schlüpfte aber hier mal eben in eine andere Rolle.

Unglücklicher Auftritt der Italiener

Dass der in dieser Szene nicht gut postierte Linksverteidiger Giorgio Chiellini kurz darauf umknickte und ausgewechselt werden musste, passte zum unglücklichen italienischen Auftritt. Taktgeber Andrea Pirlo kam kaum zur Geltung, Torjäger Mario Balotelli brauchte 38 Minuten bis zu seinem ersten Torschuss und Antonio Cassano brachte zwar einen doppelten Beinschuss an, der Casillas aber nicht überraschen konnte (29.).

Mehr Effektivität demonstrierte da schon der Kontrahent: Xavi sorgte für den nächsten genialen Moment, als er die Kugel im exakt richtigen Moment in den Lauf des Linksverteidigers Jordi Alba legte. Der Neuzugang des FC Barcelona ließ Italiens Torwart Gianluigi Buffon keinerlei Abwehrmöglichkeit. Seinen ersten Länderspieltreffer bejubelte der 23-Jährige dann auch entsprechend ausgiebig.

Die Szene verriet zudem: Immer wenn die Strategen Xavi oder der mit Sprechchören gefeierte Iniesta sich oder den Ball beschleunigten, schienen die Italiener rat- und hilflos. Edeltechniker Iniesta drückte es so aus: „Eine Niederlage wäre es auch gewesen, wenn wir von unserem Stil abgerückt wären.“ Der nächste geniale Xavi-Pass genügte, um Torres beim 3:0 seinen persönlichen Erfolg als Torschützenkönig zu bescheren. Und dann legte Mata nach Torres-Vorarbeit gar noch das 4:0 nach. Und dann feierte auch noch Torhüter Casillas, der gestern seinen 100. Länderspielsieg errang und damit eine weitere historische Bestmarke setzte.

Spaniens Schlussmann war es auch gewesen, der auf einen entscheidenden Unterschied zum EM-Gewinn 2008 und WM-Titel 2010 verwies. „Es ist jetzt ein anderes Gefühl: Vor vier Jahren haben wir etwas erreicht, was niemand erwartet hat“, so der Torwart, „2010 haben wir etwas geschafft, was viele nicht gedacht hatten.“ Die vermeintliche Furcht, diesmal auch etwas verlieren zu können, erwies sich als unbegründet. Iker Casillas und seine Kollegen setzten ihren Siegeszug unaufhaltsam fort. Verdientermaßen.