Am 18. Mai hat man es ihnen gesagt – und auch gut zwei Wochen später steht vielen Salutas-Beschäftigten noch der Schock ins Gesicht geschrieben. Ihr Werk in Gerlingen soll in anderthalb Jahren geschlossen werden.

Gerlingen - Am 18. Mai hat man es ihnen gesagt – und auch gut zwei Wochen später steht vielen Salutas-Beschäftigten noch der Schock ins Gesicht geschrieben. Ihr Werk in Gerlingen soll in anderthalb Jahren geschlossen werden, und keiner weiß bis jetzt, was mit ihm passiert. Bei der ersten Kundgebung nach der traurigen Nachricht für die Arbeitnehmer war am Mittwoch noch eher resignative denn kämpferische Stimmung zu spüren. Um die 300 Arbeitsplätze aber wollen sie kämpfen – mit Unterstützung ihres Betriebsrates und der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE). Der Standortleiter begründete den Schließungsbeschluss gegenüber unserer Zeitung mit den angeblich viel zu hohen Kosten.

 

„Ich bin noch zu jung für die Rente, aber zu alt für einen neuen Arbeitsplatz.“ Maria Spahu ist 57 und seit 24 Jahren im Betrieb. In wenigen Sätzen schildert sie ihr Problem: „Ich habe seit meiner Schulzeit Vollzeit gearbeitet und dabei zwei Kinder großgezogen. Mein Mann geht im Januar in Rente. Wir haben uns für die nächsten Jahre noch auf mein Gehalt verlassen. Soll ich jetzt Hartz IV bekommen?“ Der Betrieb schreibe „keine roten Zahlen“, sagt sie, „aber wir sind halt nicht so billig wie in Polen.“ Dort soll künftig die Arbeit geleistet werden, die sie momentan noch in Gerlingen erledigen: aus Containern voller loser Tabletten mehrere Millionen Verkaufsverpackungen im Monat produzieren. Aristidis Savvidis ist 53  Jahre alt und seit 20 Jahren in der Firma beschäftigt. „Ich möchte weiter hier arbeiten“, sagt der Betriebsrat mit verbitterter Stimme. Auch sein Kollege Son Dang sieht Existenzprobleme. „Zu mir hat einer der Chefs gesagt, ,Kopf hoch, das Leben geht weiter’“, erzählt er. Seine beiden Söhne studierten noch, „ich brauche das Geld.“ Aber woher, wenn der Betrieb dicht macht? „Arbeitslosigkeit wäre das Schlimmste.“

„Qualität hat ihren Preis“

„Gerlingen steht für Qualität – und Qualität hat ihren Preis“, steht auf einem der Protestplakate; „Aktionäre bekommen nicht genug, für uns fährt ab der letzte Zug“, auf einem anderen. Der Gewerkschaftssekretär Benjamin Hannes betont, die Arbeitnehmervertreter versuchten gemeinsam mit externen Fachleuten alles, um eine Lösung zu finden, „damit keiner von euch die Existenzgrundlage verliert“. In den vielen Reinräumen des Betriebs könne man Tabletten verpacken, aber ebenso gut forschen oder Material für die Autoindustrie verarbeiten. „Nicht klein beigeben“, laute die Devise.

Die Betriebsratsvorsitzende Gabriele Eisinger sieht drei Möglichkeiten für die Zukunft: Salutas bleibt in Gerlingen oder es wird dort ein anderer Arbeitgeber für die Beschäftigten gefunden. Dafür habe die Firmenleitung die nötigen Unterlagen bereitgestellt. Nur als letzte Möglichkeit bleibe ein für das Unternehmen sehr teurer Sozialplan. Die Trauer solle sich in Hoffnung wandeln, ruft sie ihren Kollegen zu.

Am Rand der Kundgebung steht Christian Caderas, der Leiter des Gerlinger Betriebs, der erst seit Anfang Mai in der Chefetage in der Dieselstraße sitzt. Er habe zwar die Zahlen dieses Salutas-Betriebs gekannt, der zu Sandoz und damit letztendlich zum schweizerischen Novartis-Konzern gehört, jeder Standort werde aber für sich gerechnet. Der Stilllegungsbeschluss für Gerlingen sei erst nach seinem Amtsantritt gefasst worden. Die Firmenleitung habe überlegt, ob man der Belegschaft noch einmal, wie vor Jahren, einen Lohnverzicht vorschlagen solle, um das Werk zu halten. „Wir hätten aber die Lohnkosten um 40 bis 50 Prozent absenken müssen, um hier langfristig mit einer ordentlichen Marge arbeiten zu können“, betonte der 59-Jährige. Die Kosten seien sehr hoch, auch wegen des Alters und der langen Zugehörigkeit der Belegschaft, „die Preise sinken aber ständig“. Dazu komme, dass die Arbeit personalintensiv sei – und das Lohnniveau höher als in Ostdeutschland oder Polen. Deshalb müsse jetzt die Schließung in Gerlingen bis Ende 2016 geplant werden.