Sozialministerin Karin Altpeter (SPD) lobt das Modell von AOK und Ärzten als Erfolg und will sich auf Bundesebene dafür einsetzen. Nächstes Jahr werden im Bund die Anforderungen für solche Projekte erhöht.

Stuttgart - Mumpitz, darin sind sich Berthold Dietsche und Christopher Hermann einig, Mumpitz sei, was die schwarz-gelbe Bundesregierung als Ergänzung ins Sozialgesetzbuch V geschrieben hat. Im Paragrafen 73 wird dort geregelt, wie Krankenkassen – Hermann ist Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg – und Ärzte – Dietsche ist Chef des Hausarztverbandes im Land – die medizinische Versorgung ergänzend zum herrschenden Kassensystem gestalten können. AOK und Hausärzte sowie der Ärztebund Medi mit dem Stuttgarter Mediziner Werner Baumgärtner an der Spitze, haben das vor genau fünf Jahren getan und einen Vertrag über die hausärztliche Versorgung geschlossen. Er bringt den Ärzten feste Honorare, anders als das Kassensystem mit gleitenden Punktwerten. Die Patienten, die sich an diesem Versorgungsmodell beteiligen, profitieren zum Beispiel von schnellerer Terminvergabe oder Abendsprechstunden.

 

„Eine neue Zeitrechnung“ habe damals begonnen, sagt Hermann. Erklärtes Ziel der AOK sei gewesen, die Versorgung „raus aus der ewigen Bevormundung aus Berlin“ zu bekommen. „Überbürokratie“ sollte abgebaut, die „Muschelwährung“ für die Mediziner durch „harte Euro“ ersetzt werden.

Die Ärzte sind zufrieden mit der Honorarstruktur

Die stehen hinter dem Modell. „Wir haben unser Versprechen gehalten,“ sagt Hausarzt-Vorstand Dietsche. Die Kollegen seien „vollkommen zufrieden mit der Honorarstruktur“ und wollten keine durchgreifende Änderung. Medi-Chef Baumgärtner ergänzt: „Der Vertrag ist die Antwort darauf, dass es immer mehr chronisch Kranke, aber immer weniger Hausärzte gibt. Die Antwort der Politik sind Runde Tische und engmaschigere Planung.“

Der Hausarztvertrag, auf den fünf die fachärztliche Versorgung betreffende Abkommen aufgesetzt wurden, hätte zum Erfolgsmodell im Bund werden können, so ist die Vorstellung im Land. Doch „die Protagonisten des alten Systems waren wütend und haben uns das spüren lassen“, sagte Hermann. Die Politik „wurde mobilgemacht, Brandbriefe geschrieben“.

Die Bundesregierung setzt zu hohe Hürden

Im Ergebnis habe die Bundesregierung die Hürden für neue Verträge so hoch gesetzt, dass sie nicht mehr machbar seien. Auch der baden-württembergische muss Mitte nächsten Jahres die neuen Anforderungen erfüllen und würde damit zum Auslaufmodell. Das möchten nicht nur AOK und Ärzteverbände verhindern, sondern auch die baden-württembergische Landesregierung. „Hausarztverträge haben zu vielen Verbesserungen für die Patienten und Patientinnen geführt,“ sagt die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD). Das Versorgungsmodell sei ein Erfolg. Altpeter sagte zu, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Modell erhalten bleibt.

Versorgungsassistentinnen sind ein Erfolg

Die Vertragspartner lassen sich nicht beirren und haben den bisherigen Abmachungen weitere hinzugefügt. Die für Patienten sichtbare ist das sogenannte Verah-Mobil. „Verah“ ist eine Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis. Sie hat eine spezielle Ausbildung durchlaufen und kann Aufgaben erfüllen, die bisher nur der Arzt selbst erledigen durfte. Er wird dadurch entlastet. Auch die Honorierung der Assistentinnen regelt der Hausarztvertrag.

Um deren Mobilität zu erhöhen haben AOK, Medi und der Hausärzteverband Sonderkonditionen vereinbart, um in den nächsten fünf Jahren tausend „Verah-Mobile“ auf die Straße zu bringen. Regulär würde ein solches Fahrzeug knapp 200 Euro Leasinggebühren pro Monat kosten. Die Vertragspartner übernehmen die Hälfte davon. Eine Praxis braucht also nur noch hundert Euro im Monat, um sich ein Mobil zu halten. Dann müssen die Assistentinnen nicht mehr Privatwagen nutzen.