Zwei Waiblingerinnen haben in der Fußgängerzone für Aufsehen gesorgt: Auf bunten Zetteln suchten sie nach frischen Ideen für die Innenstadt. Viele Passanten machten mit.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Waiblingen - Viele Waiblinger haben in den vergangenen Wochen beim Flanieren durch die Lange Straße gestaunt. Das leere Schaufenster des ehemaligen Damenmodegeschäfts Scala war über und über beklebt mit großen bunten Zetteln. Der auf Schildern geschriebenen Aufforderung „Was fehlt in der Fußgängerzone? Schreib deine Ideen dazu“ waren viele nachgekommen. Neben einer Teestube, einem Spielkartenladen, einem Familiencafé oder einem Kino haben sich manche Teilnehmer der Aktion unter anderem einen Plattenladen gewünscht. Jemand hat auch – mit Zwinker-Smiley, daher wohl nicht ganz ernst gemeint – „Asylheim“ hingeschrieben. Auch ein Reparaturcafé, ein Casino, eine Sushi-Bar oder eine Starbucks-Filiale wünschen sich manche.

 

„Nur noch Optiker und Handyläden“

Hinter der Aktion stecken die beiden Waiblingerinnen Andrea Ertz und Silke Goll. Als „Waiblinger Ideentausch“ haben sie schon andere „Guerilla“-Projekte verantwortet. Etwa den mit Gedichten behängten „Frühlingsbaum“, der gerade auf der Erleninsel zu sehen ist. Das Ziel all ihrer Aktionen ist, die Waiblinger zum Mitmachen zu ermuntern. Der jüngste Streich hat zudem einen aktuellen Hintergrund: „Uns kommt es manchmal so vor, als ob es in der Waiblinger Innenstadt nur noch Optiker und Handyläden gäbe“, erklärt Andrea Ertz.

Für ihre Zettelaktion hätten sie nach einem leer stehenden Geschäft gesucht und den ehemaligen Mode-Scala-Laden gefunden. „Die 250 Zettel, die wir aufgeklebt hatten, wurden alle vollgeschrieben“, sagt Ertz voller Freude über den regen Zulauf. Ihre Mitstreiterin Silke Goll hat ein Vorschlag besonders amüsiert: „Ein Studio, in dem kleine Fische zur Pflege an den Füßen der Kunden knabbern, könnten wir uns in dem Laden tatsächlich gut vorstellen“, erzählt sie lachend. Auffallend viele Teilnehmer hätten sich aber auch ein schwäbisches Lokal gewünscht. „Und das fehlt in der Waiblinger Innenstadt tatsächlich.“

Der Eigentümer des Hauses, in dem die Zettelaktion über die Bühne geht, ist die Dettinger Immobilienfirma Stonehenge. Einer der beiden Geschäftsführer, Stefan Russ, hat den Frauen grünes Licht für ihre Vorhaben gegeben. „Ich habe gesagt, das ist eine lustige Aktion, und sie kostet nichts“, sagt er und freut sich, dass die Initiative „scheinbar gut angekommen ist“.

Als privater Eigentümer des Hauses steht es ihm allerdings natürlich frei, mit wem er einen Mietvertrag abschließt. Daher sieht sich Russ nicht an das Ergebnis der ungewöhnlichen Abstimmung gebunden: „Ich wünsche mir ein Geschäft, das die Miete aufbringen kann und das möglichst lange dort bleibt“, sagt er. Auch wenn es kaum zu erwarten sei, dass der neue Mieter so lange durchhalte wie Gerfried Lemke: Der Betreiber von Mode Scala hatte nach 35 Jahren altershalber aufgehört, seine Tochter betreibt aber weiterhin ein Bekleidungsgeschäft in Winnenden.

Das war nicht die letzte Aktion des „Ideentauschs“

Der Vermieter Russ schließt aber nicht aus, dass durch die Zettelaktion Anregungen für den Laden in der Langen Straße 53 zusammenkommen. „Eine Suppenküche über die Mittagszeit fänden wir gut“, meint er. Der Vorschlag mit dem Asylheim lag übrigens nicht ganz fern der Realität. Die Vermieter haben schon darüber nachgedacht, immerhin liegen über den Gewerberäumen Wohnungen. „Für eine Erstunterbringung ist das Haus aber zu klein“, sagt Russ – und eine Anschlussunterbringung sei nicht rentabel. Dass das bei der Ideensammlung meistgewünschte Geschäft tatsächlich in den leer stehenden Laden einzieht, sei utopisch, meint Andrea Ertz. „Das war auch nicht das Ziel der Zettelaktion. Die Leute sollten einfach darüber ins Gespräch kommen, was ihnen wichtig ist.“ Ertz und Goll planen weitere, ähnliche Aktionen. Um sie zu dokumentieren, haben sie im Internet einen Blog eingerichtet: http://waiblingerideentausch.wordpress.com