Mit Glamour nach Art der Wiesn tut man sich auf dem Wasen schwer. Beim Besuch von Harald Glööckler lief nicht alles rund. Ein Fernsehteam filmte, wie man den Designer seitens der Gastgeber links liegen ließ. Warum es ihm trotzdem auf dem Volksfest gefiel.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Als OB Frank Nopper (CDU) bei seiner Rede zur Eröffnung des Cannstatter Volksfestes im Schwabenwelt-Zelt sagte, über zwei Gäste freue er sich ganz besonders, glaubten viele schon, sie wüssten, um wen es nun gehen werde. Designer Harald Glööckler (begleitet von seiner Stuttgarter Freundin Rita Thea) und Schlagerstar Andrea Berg (begleitet von Ehemann Ulrich Ferber) saßen zusammen weit vorne. Allerdings waren nicht sie gemeint – er nannte nur den Innenminister und den Festzeltwirt. Gewundert hat sich der Ehrengast-Tisch, dass Nopper die beiden deutschlandweit bekannten Köpfe aus dem Showbusiness mit keinem Wort erwähnte. Daraus entwickelte sich der erste Aufreger der Volksfestsaison 2023.

 

„Die ,Großkopfeten’ in Stuttgart hatten schon immer Probleme mit mir“

„Die Menschen haben mich wie einen König gefeiert, und ganze Tische haben auf dem Wasen begeistert ,Harald, Harald’ skandiert“, berichtet Harald Glööckler am Sonntag am Telefon unserer Redaktion. Der OB dagegen habe ihn in seiner Rede völlig ignoriert. Es sei im Grunde alles so wie früher gewesen in Stuttgart, als er hier lebte und man ihm Steine in den Weg warf, sagt er: „Die Leute lieben mich, aber die ,Großkopfeten’ in Stuttgart hatten schon immer Probleme mit mir.“ Schon damals sei die Politik nicht in der Lage gewesen, ihn zu akzeptieren und Künstler zu fördern, so lautet sein Vorwurf. „In Stuttgart sollte man nach Möglichkeit nicht zu exzentrisch sein“, erklärt der Designer. Da komme die „sonst so laut proklamierte Toleranz“ plötzlich ganz schnell an ihrer Grenzen.

Nopper sagt: Das Moderatorenpaar hätte die Ehrengäste begrüßen müssen

„Andrea Berg ist einer der größten Schlagerstars von Deutschland“, heißt es aus der Umgebung von Harald Glööckler, „man kann sie doch nicht übergehen.“ Und ebenso dürfe man den extra eingeladenen Designer nicht übersehen. Über die Stadträtin und „Schwulenmutti“ Laura Halding-Hoppenheit, eine langjährige Freundin des Modemanns, hatte OB Nopper den Wahl-Berliner auf den Wasen gebeten. Im Zelt waren Münchner, die sich köstlich amüsierten: Da wolle das Cannstatter Volksfest ein bisschen auf Oktoberfest-Glamour machen, doch beherrsche den Umgang damit eher mittelgut.

Auf dem Wasen ließ man seitens der Gastgeber den Prince Pompöös links liegen, so lautet der Vorwurf von dessen Fans. „Dass man mir zuerst sagte, ich solle mich ins Goldene Buch der Stadt eintragen, war mir nicht wichtig“, sagt Harald Glööckler, „mir geht es um anderes.“

Als er in den 90ern mit seinem früheren Mann Dieter Schroth in Stuttgart mit Pompöös begonnen habe, habe man amüsiert gesagt: „Da sind zwei Schwule, die haben einen Laden aufgemacht, die werden aber schnell wieder zumachen.“ Er habe die Stadt eines Besseren belehrt. „Zu damaligen Zeiten war man in Stuttgart nicht besonders offen für schwule Künstler“, erinnert er sich. Inzwischen wolle auf dem Cannstatter Wasen jeder Wirt eine Schwulenparty veranstalten. Der 58-Jährige sagt dazu: „Das resultiert nicht aus einer neugewonnenen, toleranten Überzeugung, sondern folgt eher dem eiskalten Kalkül, mit einer inzwischen stark geworden Community Geld zu machen.“

Nopper sagt: Die Moderatoren vom SWR hätten die Gäste begrüßen müssen

Warum der OB den Gast aus Berlin nicht beim Fassanstich begrüßte, obwohl er ihn doch eingeladen hatte? Frank Nopper stellt gegenüber unserer Redaktion klar: „Ausdrücklich hatte man den Moderatoren die Aufgabe zugewiesen, die Gäste – außer Innenminister und dem Gastgeber – namentlich zu begrüßen.“ Doch Stephanie Haiber und Michael Antwerpes, die beiden SWR-Stars am Mikrofon, haben die Promis Berg und Glööckler überhaupt nicht erwähnt, obwohl sie es hätten tun sollen. Haben sie es im Stress vergessen?

Den aus Berlin angereisten Designer, der viele Jahre in Stuttgart lebte, hat Nopper, wie er sagt, unterhalb der Bühne persönlich begrüßt. „Ich kenne Herrn Glööckler seit 1996 und habe mich über sein Kommen sehr gefreut“, erklärt der OB. Dem Volksfest tue eine „gute Mischung aus Tradition und Showbusiness gut“. Am Samstag habe er mit dem Manager des Designers telefoniert, um mit ihm einen kurzfristigen Termin zu einem Treffen im Rathaus zu vereinbaren, lässt der OB wissen. Doch daraus wurde nichts.

Gab Glööckler dem OB am Samstag einen Korb, weil er beleidigt war?

„Herr Nopper wollte, dass sich Harald Glööckler am Samstag doch noch ins Goldene Buch der Stadt einträgt“, erklärt das Management des Designers. Hat der Modeschöpfer dem OB am Samstag einen Korb gegeben, weil er beleidigt war über die fehlende Begrüßung im Zelt? „Nein, es waren nur terminliche Gründe“, versichert sein Sprecher. Der frühere Stuttgarter habe schnell zurück nach Berlin fliegen wollen.

Auch wenn der Designer auf dem Wasen von den Gastgebern alles andere als hofiert worden ist, hat er doch großen Spaß gehabt. „Ich habe den Abend auf dem Volksfest sehr genossen“, sagt Glööckler am Sonntag, „die Stimmung war super, ich habe tolle Leute getroffen, auch viele, die ich von früher kannte.“ Das Wirtepaar Daniela und Michael Wilhelmer habe alles getan, um seinen Aufenthalt im Zelt so angenehm wie möglich zu gestalten. Schon die Tage davor seien in Stuttgart für ihn toll gewesen. „Mit dem Kamerateam war ich unter anderem im Kings Club, der gerade zur Neueröffnung umgebaut wird und in dem ich sehr viel erlebt habe“, berichtet er. Außerdem habe man das Neue Schloss besucht, wo in den 90ern seine erste große Modeschau stattfand. „Da kamen sehr schöne Erinnerungen auf.“

Mit dabei auf Schritt und Tritt war ein Team von RTL 2, das die Fortsetzung der Doku mit ihm dreht. Die Stuttgarter Freunde von Glööckler befürchten nun, dass in der Sendung zu sehen ist, wie es bei seinem Volksfestbesuch seitens der Gastgeber hakte, wie unbeholfen die Stadt mit Glamour umgeht.

Ist Glamour mehr Schein als Sein? Passt das überhaupt zu Stuttgart? Besitzt München beim Protzen nicht viel mehr Talent? Minderwertigkeitsgefühle zeigen sich immer dann, wenn man sich mit anderen vergleicht, wenn Stuttgart also lieber nach München schaut und seine eigenen – es sind andere – Stärken übersieht. Der Vergleich mit München sei allein schon deswegen fehle am Platz, sagte OB Nopper in seiner Fassanstichsrede, „weil unser zivilisatorischer Vorsprung gegenüber unserem geschätzten Nachbarvolk schon historisch bedingt uneinholbar ist“. Wumms! Das haute rein!

Der Glamour-Versuch für den Wasen ging bei der Eröffnung dann aber ganz schön daneben. Selbstbewusst fragen Stuttgart-Fans, die keine Kopie von München sein wollen: Na und? Stuttgart ist halt anders.