Helga Brehme ist aus St. Petersburg zurück. Die 82 Jahre alte Chefin des kleinen Puppentheaters spielt auf Festivals in aller Herren Länder und importiert ihre Eindrücke nach Heslach.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Wegen Corona ist es heuer etwas weniger international zugegangen beim Puppenspiel-Festival im russischen St. Petersburg Ende Juni – immerhin aber waren eine Gruppe aus Kasachstan dabei, eine aus Israel und Helga Brehme aus Stuttgart. Sie hatte den „Sternäugigen Schäfer“ dabei, ein ungarisches Märchen, das sie gemeinsam mit dem Puppenspieler Velemir Pankratov und ihrer Tochter Franziska Rettenbacher in Szene setzte.

 

Reminiszenz ans Mittelalter

„Dem russischen Publikum haben besonders die mittelalterlichen Puppen gefallen“, berichtet Brehme, seit 49 Jahren Inhaberin des kleinen Theaters am Faden in Heslach. Geschnitzt sind sie nach dem Vorbild mittelalterlicher Skulpturen, und in der Tat erinnert die hölzerne Prinzessin aus dem Märchen ein bisschen an die berühmte Jutta-Skulptur vom Naumburger Dom aus dem 13. Jahrhundert. Mancher Festivalzuschauer, sagt Brehme, hätte sich für ihre Vorstellung entschieden, „weil er gerne mal wieder Deutsch hören wollte“, wozu Gelegenheit bestand, weil der „Schäfer“ in deutsch und russisch gespielt werde. Vor genau 27 Jahren hatte Brehme das Märchen beim St. Peterburg-Festival schon mal aufgeführt, seinerzeit mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann, Karl Rettenbacher. „Damals haben wir damit den ersten Preis gemacht. Und dieses mal waren ein paar Leute da, die erinnerten sich, unser Stück damals schon gesehen zu haben.“ Offenbar hatte es bleibenden Eindruck hinterlassen.

Helga Brehme liebt solche Festivals. Mit ihren 82 Jahren ist sie nicht müde, um die halbe Welt zu fliegen, um bei Projekten und Festen von Puppenspielern mitzuwirken. Mindestens einmal jährlich steht Indien auf ihrem Plan, die vergangenen beiden Jahre ist sie dort allein hingereist. Die Strapazen sind ihr Einsatz für die reichen Erfahrungen: „Da entsteht eine Verbindung zu anderen Künstlern – Musikern und Puppenspielern. Man arbeitet nicht nur zusammen, man wohnt ja auch bei ihnen. Dabei lernt man Land und Leute auf intensivere Weise kennen, als wenn man als Tourist unterwegs ist.“

Ihre Puppenspieltourneen führten Brehme und ihre Mitspieler nach Indonesien, Guatemala, Ekuador, Schweden, Polen, Litauen, Georgien, Armenien und Tschechien, wo Brehme einst das Puppenspiel erlernte. Angefangen hatte die Globetrotterei aber erst 1991 mit einer Tournee nach Sibirien, „da waren meine Töchter nicht mehr so klein“.

Behagliches Museum

Zurück in ihrem schnuckligen Theater in Heslach hat Brehme ihre Eindrücke aus der Fremde auf vielfältige Weisen verarbeitet. Am augenscheinlichsten sind die Puppen aus aller Herren Länder, die im Theater drapiert sind. Vor dem Bühnensaal liegen in dem verschachtelten Häusle in der Hasenstraße Räume, die als begehbares Puppenspieler-Museum mit behaglichen Sitzecken fungieren. Im Grunde ist schon das Vorgärtle eine Puppenbühne.