Für viele Gläubige war Mutter Teresa schon zu Lebzeiten eine Heilige. Jetzt ist der „Engel der Armen“ von Papst Franziskus vor 100 000 Menschen auf dem Petersplatz in Rom auch offiziell ins Verzeichnis der Heiligen der katholischen Kirche aufgenommen worden.

Rom - Das Lächeln sanft, bescheiden. Die Haltung leicht gebeugt, den Blick zu den Menschen gerichtet. Klein und zierlich wirkt Mutter Teresa auf dem Bild, das über der Heiligen Pforte des Petersdom hängt. Dennoch strahlt ihr Antlitz über den gesamten Platz, auf dem an diesem Sonntag rund 150.000 Menschen zusammengekommen sind, um ihre Ikone zu feiern. Um ihr zum ersten Mal als offizielle Heilige zuzujubeln. Denn für viele hier auf dem Petersplatz war die Heiligsprechung durch Papst Franziskus nur noch eine Formsache.

 

„Für mich war sie schon zu Lebzeiten eine Heilige“, sagt Franz Mainz. Der Diakon in der Erzdiözese Freiburg war schon in Rom dabei, als Mutter Teresa 2003, nur sechs Jahre nach ihrem Tod, selig gesprochen worden war. Damals seien noch mehr Menschen hier gewesen. „Bis runter zum Fluss standen sie damals“, erinnert sich der 61-Jährige. In diesen Tagen ist er mit einer Gruppe von 43 Gläubigen nach Rom gekommen. Die Wallfahrt war schon lange geplant - dass sie nun mit dem Datum der Heiligsprechung Mutter Teresas zusammenfalle freue natürlich alle in der Gruppe.

Mutter Teresa ist bis heute für viele ein Vorbild

Eine Frau besonders. Maria. Ihren vollen Namen möchte sie nicht nennen, denn was sie erzählt, ist sehr persönlich. „2013 bin ich an Krebs erkrankt, es sah nicht gut aus“, beginnt die 64-Jährige. Sie habe sich dennoch für die Chemotherapie entschieden und viel gebetet. „Heute bin ich geheilt“, sagt sie. Und auch für ihren Sohn habe sie viel gebetet - er war 15 Jahre lang drogensüchtig. „Gott hat uns geheilt, nicht die Medizin“, ist sie sich sicher. Dass Mutter Teresa nun heilig gesprochen wurde, ist für sie wichtig. „Sie ist bewundernswert. Ein Vorbild, wie man es vor allem in der heutigen Zeit braucht.“

Die albanische Nonne, die 1910 im heutigen Mazedonien unter dem Namen Gonxha Agnes Bojaxhiu geboren wurde, war mit 18 Jahren in den jesuitennahen Orden der Loreto-Schwestern eingetreten. 1950 gründete Mutter Teresa in Kolkata (damals Kalkutta) den Orden der „Missioniarinnen der Nächstenliebe“ und kümmerte sich um die Armen, Sterbenden und Ausgestoßenen. 1979 erhielt sie für ihre Arbeit den Friedensnobelpreis.

Kritiker werfen Mutter Teresa vor, den Menschen lindernde Medizin verweigert zu haben

Aufopferungsvoll und mit Hingabe sagen die einen. Missionierend und ohne wirklich etwas gegen die Ursachen der Armut der Menschen beigetragen zu haben, die anderen. Mutter Teresa hat nicht nur Fürsprecher. Die Kritiker werfen ihr vor, sie habe ihre Sterbehäuser bewusst karg gehalten und den Menschen lindernde Medizin verweigert. Manche spekulieren über die Verwendung der Millionen Spendengelder, die die Nonne für ihre Arbeit erhalten hat. Auch dass sie eine strikte Gegnerin von Verhütung und Abtreibung war, und dies auch politisch bei zahlreichen Besuchen bei Staatschefs vertreten hat, ist vielen ein Dorn im Auge. Doch über Kritik will an diesem Sonntag in. Rom niemand sprechen.

„Sie ist eine ziemlich moderne Heilige“, finden Teresa Gramegna und Isabella Tonini. Die beiden jungen Frauen (26) sind extra aus Mailand gekommen. Um 4 Uhr morgens sind sie aufgestanden und haben sich in den Zug nach Rom gesetzt. Besonders berührt habe sie, dass auch so viele unterschiedliche Religionen auf dem Platz vertreten seien. „Mutter Teresa hat sich an die Menschen gewandt, nicht an ihre Religion“, sagt Teresa Gramegna.

Um heilig gesprochen zu werden, braucht es in der katholischen Kirche ein Wunder

Nicht nur durch Worte, auch durch Taten habe sie gewirkt, beschreibt Diakon Franz Mainz das Besondere, das für ihn Mutter Teresa ausmacht. Um heilig gesprochen zu werden, brauchte die katholische Kirche jedoch ein Wunder, das der bereits selig gesprochen Nonne zugeschrieben werden konnte. Die Heilung Marcílio Haddad Andrinos wurde 2015 offiziell als solches anerkannt. Der Brasilianer erkrankte 2008 an einer schweren Hirninfektion, eine Therapie mit Antibiotika schlug nicht an. Seine Frau Fernanda und er beteten in dieser Zeit immer wieder zu Mutter Teresa. Nach Monaten der Hoffnungslosigkeit besserte sich sein Zustand plötzlich - die Mediziner hatten dafür keine wissenschaftliche Erklärung. Heute haben die beiden sogar zwei Kinder. „Die Ärzte hatten gesagt, dass das eigentlich unmöglich sei“, sagte Andrinos am Freitag in Rom. „Unsere Familie - das ist ein weiteres Wunder.“

Die Heiligsprechung Mutter Teresas gilt als der Höhepunkt des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus ausgerufen hat und das noch bis zum 20. November dieses Jahres andauert. So schnell wie sie wurden in der Neuzeit nur wenige heilig gesprochen. Papst Franziskus hat sich bereits zu Beginn seines Pontifikats im März 2013 für die Armen stark gemacht. Er verzichtet selbst auf Pomp, zieht es vor im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu leben und verteilte an seinem Geburtstag Schlafsäcke an Obdachlose in Rom. Die Bescheidenheit und Barmherzigkeit, für die die kleine Nonne in dem weiß-blauen Sari steht, passt in sein Pontifikat. „Die Barmherzigkeit war für sie das Salz, das jedem ihrer Werke Geschmack verlieh“, so Franziskus während der Zeremonie am Sonntag. „Und das Licht, das die Dunkelheit derer erhellte, die nicht einmal mehr Tränen hatten, um über ihre Armut und ihr Leiden zu weinen.“

Selig- und Heiligsprechnung

Selige und Heilige werden in der katholischen Kirche als Vorbilder christlichen Lebens verehrt. Die Seligsprechung erlaubt die offizielle Verehrung eines Verstorbenen in einer bestimmten Region, die Heiligsprechung dehnt diese Verehrung auf die gesamte katholische Weltkirche aus. Damit jemand heiliggesprochen werden kann, muss die Seligsprechung vorausgehen.

Den Antrag zur Seligsprechung stellt der örtliche Bischof. Ein Kirchengericht prüft dann, ob die Person tugendhaft gelebt hat, im «Rufe der Heiligkeit» gestanden, ein Martyrium erlitten oder Wunder bewirkt hat. Nach dem Urteil des Gerichts prüft die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan die Unterlagen und gibt eine Empfehlung an den Papst, der dann entscheidet.

Für die Heiligsprechung ist ein auf den Seligen zurückzuführendes Wunder erforderlich (außer bei Märtyrern). Dieses Wunder ist in einem getrennten Verfahren zu belegen. Zu den bekanntesten Heiligen zählen Franz von Assisi, Hildegard von Bingen und Papst Johannes Paul II.