Antikenforscher jubeln: Sie haben ein 2500 Jahre altes Fürstengrab in Heuneburg im Kreis Sigmaringen ausgehoben und abtransportiert.

Heuneburg - Diese Schatzkiste hat mit 7,5 mal 6 Metern fast die Grundfläche einer Doppelgarage, misst in der Höhe einen halben Meter und wiegt nahezu 80 Tonnen. Es handelt sich um ein keltisches Fürstengrab aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus, das in einem Maisfeld in Sichtweite der keltischen Heuneburg im Kreis Sigmaringen von Archäologen entdeckt wurde. Schwerlastkräne haben das Prunkgrab am Dienstag auf einen Tieflader für den Transport nach Ludwigsburg gehoben. Dort wird der gesamte Block von Spezialisten des Landesamtes für Denkmalpflege untersucht. Claus Wolf, der Leiter des Landesamtes, rechnet mit weiteren wertvollen Funden. Aber nicht nur das, Grundwasser und Staunässe haben die mächtigen Eichenhölzer des Kammerbodens sowie Beigaben aus organischen Materialien wie Stoffe in ganz außergewöhnlicher Weise konserviert.

Rund 2550 Jahre alte Grabbeigaben aus Gold und Bernstein wurden bereits an der Oberfläche des Grabes entdeckt, darunter filigran gefertigter Schmuck. "Der gehört zum Besten, was keltische Schmiedekunst hervorgebracht hat", erklärt der Grabungsleiter und Landesarchäologe Dirk Krauße. Bernsteinperlen in konischer Form gehören dazu, Goldperlen und auch eine 2,5 Zentimeter große Goldschmuckarbeit, die die Wissenschaftler Christbaumkugel getauft haben. Aufgrund der Schmuckbeigaben gehen die Archäologen davon aus, dass es sich um das Grab einer Frau aus dem Adel handelt.

Moderne Methoden werden es möglich machen, aufs Jahr genau das Fälldatum der Eichenstämme zu bestimmen. Hochauflösende computertomografische Untersuchungen mit 3-D-Laserscannern kommen dabei zum Einsatz. Anhand von 3-D-Bildern sollen die Beigaben gezielt restauriert und konserviert werden. Die Restaurierung und wissenschaftliche Auswertung des frühkeltischen Fürstensitzes soll während der nächsten zwölf Monate geschehen. Konkrete und virtuell nachgestellte Ergebnisse werden in die große Keltenausstellung 2012 in Stuttgart einfließen. Krauße spricht davon, dass "dieses Grab ein Meilenstein für die Rekonstruktion der Sozialgeschichte der Kelten ist". Es sei der wichtigste Fund aus der Zeit der Kelten seit 32 Jahren, sagte der Experte, der über das keltische Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf promoviert hat. Der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl betont die herausragende landesgeschichtliche Bedeutung des Fundes weit über Baden-Württemberg hinaus.

Wenn Schmalzls Tübinger Kollege Hermann Strampfer bei der Heuneburg vom "schwäbischen Troja" spricht, widersprechen ihm die Wissenschaftler nicht. Wie bei dem legendären Ort an der türkischen Mittelmeerküste handelt es sich bei der Heuneburg um eine auf einem Hügel gelegene Stadt, die von vielen Tausend Menschen bewohnt wurde.

Älteste frühstädtische Siedlung im nördlichen Alpenraum


Hier wie da beschäftigten sich Archäologen jahrzehntelang mit den jeweils mehr als 20 Schichten, die das damalige Leben dokumentieren. Die Heuneburg gilt als älteste frühstädtische Siedlung im nördlichen Alpenraum. Die Ausgrabungsfunde von 1950 bis 1976 und nach 2004 lassen keinen Zweifel daran, dass sich hier in den 150 Jahren zwischen 620 und 470 v. Chr. eines der bedeutendsten Siedlungs-, Wirtschafts- und Machtzentren der älteren Eisenzeit befand. Um 470 v. Chr. wurde die Stadt durch einen Brand zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Rund um die Heuneburg sind um die 50 Grabhügel zu finden. Für angesehene Persönlichkeiten wurden sie eingerichtet wie ein Wohnzimmer. Es gab zu essen und zu trinken, nicht nur Schmuck, selbst Teller, Füllhorn oder sogar Angelhaken wurden dazugelegt, gerade so, als würden die Menschen nach ihrer Bestattung weiterleben. Der Inhalt der Grabkammern fiel größtenteils schon in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens den Räubern zum Opfer. "Sie wurden zeitgenössisch ausgeraubt", erklärt Dirk Krauße. Auch Feinde könnten zu Dieben geworden sein, als sie die Gräber vor den Augen der belagerten Burgherren schändeten. Die Gräber sind seit 1876 erforscht worden, der Hügel 1 befindet sich wie die Burg oben auf der Anhöhe. Der 13,5 Meter hohe Grabhügel Hohmichele fasziniert ganze Generationen von Jugendlichen aus der Gegend um Herbertingen, Hundersingen oder Binzwangen.

Das im Sommer entdeckte und nun geborgene Grab ist so einzigartig, weil es nicht ausgeraubt worden ist. Vielleicht, weil es recht früh einstürzte. So konnten Diebe kein Loch in die Kammer schlagen, um hineinzugelangen. "Da wäre schon eine Ausgrabung notwendig gewesen", mutmaßt Krauße. Später wurde der Hügel eingeebnet und immer wieder umgepflügt. Zuletzt verfehlte der Pflug das Grab nur noch um Zentimeter. In Gräberfeld Bettelbühl östlich der Heuneburg in der Donauebene ist nur noch einer von sieben Grabhügeln deutlich zu erkennen. 2005 hatten Archäologen im Bettelbühl ein Kindergrab entdeckt. Diesen Sommer wurde unter großer Geheimhaltung weitergeforscht. Es zeichnet sich ab, dass die Gebeine der Mutter in der Hauptkammer liegen. "Vor 30 Jahren hätte man das Grab mit der Kelle Schicht für Schicht abgetragen", sagt Denkmalpfleger Wolf, "und dabei wäre vieles nicht erkannt worden."