Geschäfts- und Privatleute im Rems-Murr-Kreis verhandeln nach dem Hochwasser jetzt über den Schadenersatz.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)
Stuttgart - Nach den Aufräumarbeiten, die insbesondere im Murrtal teilweise noch das ganze Wochenende lang angedauert haben, ist in den am Donnerstag von einem Jahrhundert-Hochwasser heimgesuchten Gebieten so etwas wie Normalität eingekehrt. Die Einzelhandelsgeschäfte in der Backnanger Innenstadt haben wieder geöffnet, mancherorts, wie in Sulzbach, zeugen Sperrmüllsammlungen mit aufgeweichten Teppichen und schimmeligen Möbeln von den Verwüstungen, welche die Flut hinterlassen hat.

Einige Straßen - etwa die Verbindung zwischen Lippoldsweiler und Sechselberg, zwischen Klaffenbach und Althütte oder zwischen Bruch und Lutzenberg - sind nach wie vor gesperrt. Bis die abgesackte Landesstraße zwischen dem Dmitrov-Kreisel und Rudersberg wieder hergestellt ist, werden Monate vergehen.

Nun müssen die Spezialfirmen ran


Das Landratsamt hat Formulare versandt, in denen abgefragt wird, welche Deiche, Böschungen oder anderweitige Wasserschutzeinrichtungen erneuert werden müssen. In den betroffenen Kommunen verschafft man sich nach und nach einen Überblick über die Schäden.

Eine Gesamtschätzung wagt noch niemand abzugeben. Dazu müssten erst die Kostenvoranschläge der Handwerker vorliegen, sagt der Backnanger Bauamtschef Hans Bruss. Der städtische Bauhof habe die größten Schäden beseitigt, nun müssten die Spezialfirmen ran. Für viele Geschäftsleute und Privatpersonen stellt sich nun die bange Frage, was die Versicherung zahlt - sofern eine solche überhaupt abgeschlossen wurde. Für so genannte Risikogebiete werden seit dem Jahr 1994 nur Verträge mit teilweise erheblichen Einschränkungen angeboten.

Bei dem Kabel- und Schalttechnikspezialisten Murrplastik in Oppenweiler werden die Sachschäden wohl im Millionenbereich liegen. Die Geschäftsleitung sei gerade mit einem ganzen Tross von Versicherungsspezialisten im Werk in der Stadtmitte unterwegs, sagte der Marketingleiter des Unternehmens, Günter Milla, am Montag. Seit Freitag ruht dort die Produktion. Der Strom ist abgeschaltet, kein einziger Rechner läuft mehr, auch die Telefonverbindung ist nach wie vor beeinträchtigt. Die Halle sei bis zu einem Meter unter Wasser gestanden, sagt Milla. Man müsse sehen, was noch zu retten sei - und gleichzeitig auf die Geduld der Auftraggeber hoffen.

Ein paar Kilometer weiter nordöstlich, bei HES in Sulzbach, ist man deutlich glimpflicher davon gekommen. Von Glück will man bei dem renommierten Drehteil-Zulieferer allerdings nicht sprechen. "Wir waren gut vorbereitet", sagt Katja Erkert. Die Firma habe ihr Werk mit eigenen Dämmen und Schutzmauern abgeschottet. Zudem habe man mehrere Paletten Sandsäcke verteilt. Zu 90 Prozent hätten die Maßnahmen das Wasser abgehalten.

Am Montag lief der Betrieb wieder nahezu normal


Auf Sand hat auch Martin Windmüller, der Inhaber des gleichnamigen Betten- und Wäschehauses in Backnang, gesetzt-allerdings nicht in Säcken. Windmüller bestellte auf Anraten eines Passanten kurzerhand eine Lastwagenladung davon bei einem Baustoffhändler und verteilte diese vor dem Geschäft. Bis zu 60 Zentimeter hoch sei das Wasser vor der Haustüre gestanden, aber dank der Maßnahme nicht eingedrungen. Was über Lichtschachte ins Untergeschoss sickerte, schöpften die Belegschaft und zahlreiche private Helfer mit Wassereimern und Spezialsaugern im Dauereinsatz weg. Jetzt müsse ein Fachmann begutachten, ob das Eichenparkett die Überschwemmung überlebt hat. Wenn ja, sei man "mit zwei dicken blauen Augen" davon gekommen.

Das lässt sich auch über "Mikes Backstube" in Rudersberg-Schlechtbach sagen, deren Produktionsort unversehrt blieb. Im Keller der Bäckerei hingegen sind die Folgen der Wieslaufflut unübersehbar. Die beiden Mehlsilos schwammen regelrecht im Wasser, sagt Bäckermeister Michael Kehrer. Bis zu 50.000 Euro werde der Schaden betragen, wenn die gesamte Anlage ausgetauscht werden müsste.

Auch bei dem international aufgestellten Unternehmen Tesat in Backnang scheint das Schlimmste überstanden zu sein. Zwar machte das Wasser der Murr am Rand der Ufermauer des Satellitenkommunikations-Spezialisten halt, das Grundwasser indes drang in nahezu alle Kellergebäude. Dank des "massiven Einsatzes von Feuerwehr, THW und eigenen Azubis", wie es eine Tesat-Sprecherin beschreibt, habe man gravierende Schäden abwenden können. Bereits am späten Donnerstagabend begannen die Reinigungsarbeiten einer Spezialfirma. Am Montag lief der Betrieb wieder "nahezu normal".