Die Regisseure Steven Spielberg und George Lucas haben Hollywood die Leviten gelesen. Das System der riskanten Großproduktionen stehe vor der „Implosion“, und das Fernsehen sei mutiger als das Kino geworden.

Los Angeles - Ein paar freundliche, optimistische Worte zur Eröffnung eines Neubaus auf einem Universitätsgelände, ein bisschen Zuversicht für die jungen Studenten, gespendet von Leuten, die ihr Glück schon gemacht haben – das ist doch eigentlich ein netter Brauch. Steven Spielberg und George Lucas, zwei der erfolgreichsten Regisseure der Kinogeschichte überhaupt, haben vergangene Woche mit ihm gebrochen. Und wie!

 

Eingeladen waren die beiden Filmgrößen, die außerhalb von Hollywood als Inbegriff von Hollywood gelten, von der University of Southern California (USC) zur Eröffnung eines neuen Lehrtrakts für Interaktive Medien. Statt blumiger Prognosen, was da noch alles an Wundern der Unterhaltung auf uns zukommen könnte, haben sie aber vom Leder gezogen, in welch miesem Zustand sich Hollywood derzeit befinde.

Spielberg sprach gar von der bevorstehenden Implosion der Filmindustrie – eine so derbe Formulierung, dass einem die CNBC-Moderatorin Julia Boorstin und Don Mattrick, der Chef des Bereichs der interaktiven Unterhaltung bei Microsoft, beinahe leid tun können. Die waren vergangenen Mittwoch zwar auch zur Feierstunde an der USC eingeladen, aber was immer sie gesagt haben mögen, spielt keine Rolle in der regen Diskussion im Netz, in den Medien und der Branche, die sich an die Invektiven von Spielberg (66) und Lucas (69) knüpft.

Inhaltlich kleinmütig, finanziell größenwahnsinnig

Inhaltliche und formale Kleinmütigkeit, dafür ein Größenwahnsinn bei den Budgets bescheinigen die mit Großprojekten durchaus erfahrenen Regisseure dem Hollywood von heute. Das Business produziere Filme, die ihrer immensen Produktions- und Werbekosten wegen nicht floppen dürften, irgendwann aber doch mal floppen würden. Und wenn das bei mehreren dieser Filme gleichzeitig passiere, dann sei das ganze System am Ende, prophezeite Spielberg. Nur noch um die größte Masse ginge es, pflichtete George Lucas bei. Der Weg, der auf die Leinwände führe, werde beständig schmaler. „Das Kabelfernsehen ist sehr viel wagemutiger als das Fernsehen“, befand auch er.

Diese Entwicklung konnte Spielberg am Beispiel des vielgelobten, aber eindeutig auf ein erwachsenes Publikum zielenden Spielfilms „Lincoln“ deutlich machen. „Um Haaresbreite“, sagte er, „wäre ‚Lincoln’ eine HBO-Produktion geworden.“ Dass der Film mit Daniel Day-Lewis dann doch noch eine Filmproduktion wurde, sei letztlich nur der Tatsache zu verdanken, dass er, Spielberg, Miteigentümer des Studios sei, andernfalls wäre wohl kein grünes Licht gegeben worden.

War früher alles besser?

Man kann sich leicht lustig machen über diese Anklage der Verhältnisse, und ein wenig Distanz ist gewiss nötig. Als Spielberg und Lucas einst mit ihren ersten Erfolgen auftrumpften, galten schließlich sie als Herolde einer neuen Oberflächlichkeit, als Totengräber eines Hollywoods, das erwachsene Geschichten erzählen konnte und wollte, als Inflationsclowns eines teuren Spezialeffektkinos, dessen hohe Kosten sich nur dann sicher kalkulieren ließen, wenn die Filme so frei von Anspruch, Widerborstigkeit und Provokation blieben, dass die größtmögliche Menge Ablenkungsbedürftiger ihr Geld an die Kinokassen tragen würde.

Spielberg und Lucas erschütterten mit „E.T.“ und der „Indiana Jones“-Reihe sowie mit „Star Wars“ nicht nur die Reste des alten Hollywoods, sie warfen letztlich auch das New Hollywood aus dem Gleis, das sich sehr kritisch an der amerikanischen Gegenwart rieb. Anders gesagt: könnten Spielberg und Lucas mit einer Zeitmaschine dreieinhalb Jahrzehnte zurückreisen, wären ihre jüngeren Ichs diejenigen, die Projekte wie „Lincoln“ beiseite drängen würden.

Haben George Lucas und Steven Spielberg also einfach eine Variante der beliebten Grummelei „Früher war alles besser“ vorgelegt und dabei mit heimlichem Behagen die Jungspunde erschreckt, nach dem Motto „So gute Jahre wie wir werdet ihr nie erleben“? Wohl kaum, das zeigt schon „Man of Steel“, der diese Woche im deutschen Kino startet.

Das Gezocke hat Methode

Man mag dessen Geprotze mit Computertricks auf die Spezialeffekte zurückführen, mit denen Spielberg und Lucas früher ins Kino lockten. Aber der Eindruck unkontrollierter Wucherung ist nicht von der Hand zu weisen, als sei da etwas, das früher noch in den Film eingebettet lag, nun so über den Film gewachsen wie die Wasserpest über einen Teich.

Und dann ist da noch die Frage der Budgets. Die liefen auch früher manchmal so aus dem Ruder, dass ein Studio halbgare Einspielergebnisse nur mit Mühe oder auch gar nicht überlebte. Momentan aber hat das Gezocke mit Suizidbudgets Methode. Nicht die alle Kostenpläne sprengende Produktion, sondern die innerhalb der Pläne bleibende kann den Untergang bringen. Filme sind oft keine Erzählungen mehr, sondern Warentermingeschäfte, Spekulationen, dass eine bestimmte Kombination aus Stargesichtern, Motivtapeten und Gewaltdichte zu einem bestimmten Moment Glücksgefühle auslöse, die über die Kinokasse hinaus in Nebenumsätze kanalisierbar sein werden. Möglicherweise haben Spielberg und Lucas recht, dass dieses System implodieren wird. Die bösere Alternative wäre aber, dass unsere Köpfe implodieren, auf die wir diese Filme loslassen.