Die Industrie- und Handelskammer will bei der Wahl zur Vollversammlung zwischen größeren und kleineren Firmen unterscheiden. Die Kammerkritiker sind empört.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart hat eine Änderung der Wahlordnung beschlossen. Demnach wird bei den Wahlen in den wichtigsten Gruppen Produktion, Handel und Dienstleistung künftig zwischen Unternehmen Firmen mit bis zu neun Beschäftigten sowie solchen mit zehn und mehr Mitarbeitern unterschieden.

 

In allen drei Gruppen soll den kleinen Unternehmen eine nicht näher genannte Mindestzahl an Sitzen garantiert werden. Bislang hat grundsätzlich jedes Unternehmen eine Stimme. Nach der neuen Wahlordnung gibt es künftig Kandidaten, die für den Bereich der größeren Unternehmen antreten und solche, die für die kleineren Firmen ins Rennen gehen. Den kleinen Unternehmen wird eine nicht näher genante Zahl an Sitzen garantiert. Die Änderung sei eine Voraussetzung dafür, dass die Vollversammlung künftig die Struktur der regionalen Wirtschaft, besser widerspiegele, erklärte IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. In einer Entscheidung von 2017 hatte auch das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass Vollversammlungen der Zusammensetzung der regionalen Wirtschaft entsprechen.

Kakteen-Gruppe kritisiert Feudalismus

Die kammerkritische Kakteen-Gruppe war bei der Vollversammlung mit ihrem Antrag auf eine Vertagung des Beschlusses über die Wahlordnung überstimmt worden. In einer Mitteilung kritisieren die Kakteen, die neue Wahlordnung festige die „feudale Struktur der Vollversammlung“. Mit der nun beschlossenen Verfahrensweise würden den großen Unternehmen 58 der 100 Sitze in der Vollversammlung garantiert, erklärte Clemens Morlok, einer der Sprecher der Kakteen.

Rücktritte bei IHK Hamburg

Die Initiative „Pro Wirtschaft Stuttgart“ hat die Änderung der Wahlordnung begrüßt. Damit spiegele die künftige Vollversammlung die Struktur der Wirtschaft in der Region besser wider, als dies im Augenblick der Fall sei, erklärte Heinrich Baumann, einer der Sprecher dieser Gruppierung. Der Initiative gehören 30 Vertreter von Unternehmen an, von denen viele auch Mitglieder in der Vollversammlung der Kammer sind. „Wir können jetzt mit gutem Gewissen in die nächste Wahl einsteigen, da die Kammer eine rechtssichere Wahlordnung hat“, sagte Baumann. Dadurch werde auch verhindert, dass in Stuttgart eine Situation wie in Hamburg entstehen könne. Dort hatte die kammerkritische Gruppe „Die Kammer sind wir“ bei der Wahl im vergangen Jahr 55 der 58 Sitze in der Vollversammlung errungen. Diese vertritt kleinere Unternehmen. Der anschließend gewählte Kammerpräsident Tobias Bergmann ist Anfang Dezember zurückgetreten. Am Dienstag hatten dann auch die weiteren Mitglieder des Präsidiums ihren Rücktritt zum 24. Januar 2019 angekündigt. Damit wollten sie den Weg für einen Neuanfang frei machen und „das neue Präsidium durch eine breite Legitimation stärken“, so die Vizepräsidenten.