Das französische Drama „Mein Sohn, der Soldat“ erzählt von Zwangsrekrutierungen im Ersten Weltkrieg – ein nach wie vor aktuelles Thema.

Thierno ist noch ein Teenager, als er von französischen Beamten aus seinem Dorf im Senegal verschleppt wird, um 1917 in Frankreich gegen die Deutschen zu kämpfen. Wegrennen ist zwecklos, vom Rücken ihrer Pferde aus knüppeln die Schergen die jungen Männer nieder, um sie halb bewusstlos zu verhaften.

 

Die Praxis der Zwangsrekrutierung in den Kolonien ist heute fast vergessen, dabei garantierte sie besonders im Ersten Weltkrieg den Nachschub an Kanonenfutter auf französischen Schlachtfeldern. Im Kriegsdrama „Mein Sohn, der Soldat“ schildert nun der Regisseur Mathieu Vadepied anhand eines zwar fiktiven, aber möglichen Falls das Schicksal der Soldaten aus dem Senegal. Er zeigt eine längst überfällige Perspektive angesichts der vielen Kriegsheldengeschichten der vergangenen Jahre – von „Der Soldat James Ryan“ (1998) bis „Dunkirk (2017) –, die weiße Protagonisten ins Zentrum der Erzählung stellten.

Strategien, unter dem Kommando der Weißen zu überleben

Einen typischen Helden gibt Thierno (Alassane Diong) dann auch nicht ab, erzählt Vadepied. Um seinen noch unerfahrenen Jungen zu beschützen, heuert dessen Vater Bakaly (Omar Sy) freiwillig in der Armee an. In Frankreich treffen die beiden auf andere schwarze Soldaten, die mit sehr unterschiedlichen Strategien unterm Kommando der Weißen zu überleben versuchen, und auch auf den jungen Leutnant Chambreau (Jonas Bloquet), der sich durch Himmelfahrtskommandos einen Namen machen will und Thierno gegen den Vater ausspielt.

Während Mathieu Vadepied zu Beginn seines Films das Leben Thiernos und Bakalys im Senegal als ländliches Familienidyll inszeniert, zeichnet er den Truppenalltag im Schlamm von Verdun als zähen Kampf gegen die egoistischen Interessen der anderen. Bakaly versucht für sich und Thierno einen Platz als Küchenhilfen zu ergattern, um nicht an die Front zu müssen, von wo täglich Wagenladungen mit Toten zurück ins Lager kommen. Doch selbst unter den Zwangsrekrutierten herrscht kaum so etwas wie Solidarität, auch aufgrund von Sprachbarrieren.

Nicht bloß Rückbesinnung

Vadepied reißt viele Themen an, erzählt von strikten Hierarchien innerhalb der Kompanie, von der Herablassung der Weißen, die ihre schwarzen Kameraden nicht als ebenbürtig ansehen, ihnen aber Frankreich als Vaterland zu verkaufen versuchen, für das es sich zu sterben lohnt. Während Bakaly die fadenscheinigen Versprechungen durchschaut, lässt sich Thierno auf die Weißen ein, will selbst als Korporal Befehle erteilen und die eigene Autorität erleben. Dem daraus resultierenden Entfremdungsprozess von Vater und Sohn widmet Vadepied schließlich die Hauptaufmerksamkeit, während die Kritik am kolonialen Ausbeutungssystem der Franzosen etwas in den Hintergrund gerät.

Trotzdem fällt es schwer in diesen Zeiten, Vadepieds Film bloß als Rückbesinnung auf unrühmliche Geschichte zu sehen. Da bleibt die Frage, wie viele Mahnungen und Erinnerungen es eigentlich noch braucht, auch angesichts russischer Soldaten, die teils unter Zwang und aus der Peripherie des riesigen Landes für Putins wahnsinnige Pläne in der Ukraine kämpfen müssen.

Mein Sohn, der Soldat. Frankreich 2023. Regie: Mathieu Vadepied. Mit Omar Sy, Alassane Diong. 101 Minuten. Ab 16 Jahren.