Der genialste aller Detektive und Dr. Watson hetzen durch ein London zwischen James Bond und Harry Potter.

London - Es beginnt wie der "Bande des Schreckens", jener Edgar-Wallace-Verfilmung von 1960: Nach einigen unschönen Morden, die London in Angst und Schrecken versetzen, können der Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Robert Downey jr.) und sein Gefährte Doktor Watson (Jude Law) in einem handfesten Showdown den Drahtzieher der Verbrechen überwältigen. Es ist der sinistre, aber durchaus bibelfeste Lord Blackwood (Mark Strong), dem es um die Weltherrschaft geht, wobei Verhaftung und Todesurteil durchaus Teil seiner Pläne sind. Noch in der Todeszelle gibt sich der dunkle Lord selbstbewusst und bestellt Holmes zum finalen Gedankenaustausch ein, der dann doch nur ein Monolog wird: Lord Blackwood zitiert mit vorzüglicher Textgenauigkeit aus der Offenbarung des Johannes. Man ahnt es: Jetzt erst geht die Geschichte richtig los!

Was folgt, ist ein flottes, ironisches und leicht nostalgisches Actionspektakel, das Motive aus Sir Arthur Conan Doyles Detektivgeschichten recht unverkrampft mit Harry-Potter-Magie und James-Bond-Anmutungen kombiniert. Der Filmemacher Guy Ritchie, von dem man härtere und schrägere Kost wie "Snatch" gewohnt ist, hat den Sherlock-Stoff auf eine Art und Weise modernisiert, dass sein Film punktgenau im Popcorn-Mainstream landet. "Sherlock Holmes" hat jetzt mehr mit "Van Helsing" als mit David Lynchs "Elefantenmensch" zu tun. Ritchie setzt auf visuelle Eleganz, trockenen Humor, ein kurioses Darstellerkabinett mit hünenhaften Schlägern sowie Zwergen mit niedriger Lebenserwartung und ansonsten auf die Dynamik ausgedehnter, manchmal arg ausgedehnter Actionsequenzen.

Wiedervorlage war überfällig


Die Wiedervorlage des bekannten Stoffes - Billy Wilders pointierte Dekonstruktion der Figur im "Privatleben des Sherlock Holmes" stammt aus dem Jahre 1970, in den achtziger Jahren gab es eine ambitionierte BBC-Fernsehserie mit Jeremy Brett in der Titelrolle - war überfällig. Was sie an Schauwerten auffährt, kann allerdings nicht lange darüber hinwegtrösten, dass ihr jedes Interesse für eine psychologische Grundierung der Figuren abgeht. Holmes' legendäre Kombinationsgabe wird ein paar Mal exemplarisch vorgeführt, hat mit der atemlosen Lösung des Falles "Blackwood" aber (fast) nichts zu tun. Erst im Nachhinein erhält der Zuschauer Aufklärung über die Doppelbödigkeit des Gezeigten, was sich allerdings wieder bestens in den filmischen Diskurs von "Sherlock Holmes" fügt, weil dieser - für marktförmiges Mainstream-Kino ungewöhnlich genug - über ein reiches Repertoire an Verlangsamungen, Beschleunigungen, Wiederholungen, Verdoppelungen und Ellipsen verfügt.

Liebhaber des blitzgescheiten, arroganten, koksenden, den Frauen mit guten Gründen entsagenden Meisterdetektivs werden manches tiefer gründelnde Detail vermissen. Auch der im Vorfeld der Neuverfilmung kolportierte homoerotische Subtext ist bestenfalls als matte Variante von "Ein seltsames Paar" auszumachen.

Aus der Popperspektive mag enttäuschen, dass Ritchie alle Drogenexkurse, die Proto-Zeichentheorie, die Gender-Fragen und auch die Nähe zu den Ideen Freuds schlicht über Bord geworfen hat, um möglichst geradlinig und elegant über 125 Minuten zu kommen. Liebhaber des internationalen Starkinos mag dagegen enttäuschen, wie blass Jude Law gegenüber dem in entfesselter Spiellaune noch immer erfolgreich auf jungenhaften Charme vertrauenden Robert Downey jr. bleibt.

Verbeugung vor der Kunst der Illusion


Was für den Film einnimmt, ist seine entschiedene nostalgische Selbstreferentialität. Ritchies Film sucht atmosphärisch und motivisch die Nähe zu Chistopher Nolans "Prestige - Die Meister der Magie" (2007). Hier wie dort geht es um eine Verbeugung vor der Kunst der Illusion, die jede Erfahrung von Wirklichkeit zu manipulieren weiß. Lord Blackwood scheint mit finsteren Mächten im Bunde zu sein, ist jedoch nur ein genialer, auf menschliche Schwächen vertrauender Trickser. Und wie bereits Nolan erzählt auch Ritchie davon, dass die Bühnenkunst der Illusion zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Konkurrenz von Laufbildern bekommt, der das Varieté nicht gewachsen sein wird.

Immerhin, der Reigen der Holmes-Fortsetzungen ist eröffnet. Dass hier ein längerfristig angelegtes Projekt gestartet werden soll, wird Kennern des Stoffes schon dadurch verraten, dass im dunklen Hintergrund noch ein geniales Gehirn mitmischt. Man erfährt nicht viel über diese Figur im Schatten, aber der Name lässt Conan-Doyle-Leser hoffen: Professor Moriarty.

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