Von Hochland über Mokuska bis hin zu Earlybird Coffee: Stuttgarts Kaffeeröstereien erfreuen sich bester Gesundheit. Eine Bestandsaufnahme des schwarzen Goldrauschs im Kessel.

Stuttgart - Kaffee. Darf man das heute überhaupt einfach noch so sagen? Ganz ohne ergänzende Attribute, allerlei Fachchinesisch, schmückende Kunstworte und wissend in die Höhe gereckte Braue? Einfach nur: Kaffee? Schwierig. Wie auch bei Fahrrädern, Bier, Friseuren oder Gin reicht es heute nicht mehr, Kaffee zu trinken, mäßig wach davon zu werden und in der Folge noch mehr von der schwarzen Brühe in sich reinzuschütten. Kaffee muss zelebriert, gelebt, verstanden werden. Das ist per se etwas Gutes, es hat noch keinem Lebensmittel geschadet, wenn man sich wirklich damit auseinandersetzt und darauf achtet, wo es herkommt, beispielsweise. Man sollte jedoch keinen Kaffeetrinker zur Abbitte zwingen, weil er eben die Pfund-Packung aus dem Discounter für die nächste Nachtschicht im Büro wählt oder bei Partys gerne erzählt, der Kaffee der Deutschen Bahn sei vielleicht nicht ganz billig, dafür aber verdammt gut. Gut, für den letzten Punkt vielleicht schon.

 

 

Der frühe Vogel fängt den Trend

 

Wem die Kilo-Packung im Angebot nicht genug ist (oder wer die Plörre einfach nicht mehr trinken kann, um mal etwas direkter zu werden), der hat in Stuttgart längst zahlreiche Möglichkeiten selbst außerhalb gut sortierter Supermärkte und Bio-Läden. Kaffee-Röstereien sind in den letzten Jahren zahlreiche aus dem Boden geschossen, mit Earlybird Coffee beim Eugensplatz vorigen Sommer eine weitere.

 

Noch 2012 herrschte ein anderes Bild in der Stadt, gerade mal eine Handvoll Röstereien produzierten damals hier ihre eigenen Bohnen. Unter ihnen: Die Rösterei Fröhlich im Stuttgarter Westen und das Caffè Principe in Untertürkheim. Sie waren da, bevor der Trend Fahrt aufnahm, alle Anzeichen deuten auch darauf, dass sie noch da sind, wenn er wieder abflaut. Wie schon bei Craft Beer sind sich die Röster aber zumindest in dieser einen Sache einig: Hat man das Bewusstsein für ein Produkt erst mal derart geschärft, wird ein solcher Trend wohl nie wieder komplett verschwinden.

 

Willy Wonka

 

Und wieso sollte er auch? Das Bild des passionierten Kaffee-Verrückten, der wöchtlich seine Bohnen selbst mahlt, abfüllt und auch in einem kleinen Café ausschenkt, hat etwas Ursprüngliches, Urgemütliches. Jeden Montag beispielsweise bleibt das helle kleine Mókuska Caffè in der Johannesstraße geschlossen. Nicht etwa, weil Inhaber Stefan Dachale, ein ganz besonders besessener Kaffeenarr, der wie ein Willy Wonka der Kaffeewelt in die entlegensten Gebiete der Welt reist, um neue Bohnen aufzuspüren, dann endlich mal ausschlafen oder seine Ruhe haben will. Nein, seit bald zwei Jahren röstet er jeden Montag in aller Besonnenheit Nachschub und füllt sie in seine braunen Tüten mit dem kleinen Eichhörnchensymbol. Für ihn Ehrensache. „Mich hat schon lang interessiert, warum Kaffee unterschiedlich schmeckt, wie er hergestellt wird. Sehr bald entwickelte sich daraus der Traum einer eigenen Rösterei.“

 

Dass es jetzt eine Mischung aus Rösterei und Tagescafé ist, ist ein schöner Zufall, bald soll es hier auch Röstseminare geben. „Außerdem kann der, der selber röstet, ganz gezielt Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in den Anbauländern ausüben.“

 

Auch Emanuel Vonarx, Geschäftsführer beim Stuttgarter Neuling Earlybird Coffee, röstet selbst. Weil ihm der Industriekaffee irgendwann zum Hals raushing. „Kaffee ist nach Rohöl das meistgehandelte Produkt der Welt. Und doch sind 90 Prozent da draußen mieser Industriekaffee“, erzählt er uns. „Wir wollen mit unserem Kaffee zeigen, wie gut dieses Produkt wirklich sein kann.“

 

Kaffeepunsch

 

Zurück zu Dachales Eichhornkaffee. Er war einer der ersten im Kessel, die sich gewagten Experimenten rund um das Lieblingsgetränk der Deutschen hingab. Er brühte einen (wirklich verflucht starken) Tee aus Kaffeeblättern und tüftelte lang an seiner perfekten Cold-Brew-Mischung, also ein Kaffee, der lange in kaltem Wasser gezogen und dann gefiltert wird. Diese Mische hat er diesen Sommer schon richtig gut hingekriegt, wird es sich aber nicht nehmen lassen, schon die nächste Spezialität auszuhecken. „Ich will noch nicht zu viel verraten, doch es geht in Richtung alkoholfreier Punsch auf Kaffeebasis, den ich in der Adventszeit anbieten will.“ Ihn begeistert die Vielfalt des Kaffees, er will der Bohne alles entlocken, was sie hergibt. „Ich möchte die Leute hinter dem Ofen hervorlocken – und mit dem Cold Brew hat das ja schon gut geklappt.“

 

Kalter Kaffee

 

Cold Brew hat es auch Earlybird Coffee angetan. Sie gehören zu den ersten, die den kalten Drink in einer trinkfertigen Form in einer Dose anbieten können – unter der separaten Marke Karacho. „Cold Brew ist eine gute Alternative zum Energy Drink – und vor allem ein kalter Kaffee in gut!“, betont Gründer Emanuel Vonarx. „All diese anderen Kaffeeprodukte bestehen meist zu 90 Prozent aus Sahnemilch, Zucker und ein bisschen Kaffeegeschmack. Mit Kaffee hat das eigentlich nichts zu tun.“ Und der Name sagt eigentlich schon alles: Karacho ist ziemlich stark, aber sehr gut verträglich. Das geht so: „Wir legen den Kaffee für 15 Stunden in kaltes Wasser und filtern ihn dann. Weil der Kaffee nie Hitze gesehen hat, extrahiert man viel weniger Säure und Bitterstoffe.“

 

Sprach der Rabe...

 

Erfindergeist und Pioniergeist finden in Stuttgarts junger Röstergeneration zu gleichen Teilen zusammen, das ist bei Jungwinzern und Craft-Brauern nicht anders. Sinn für Design darf außerdem nicht fehlen, wie man beispielsweise beim Schwarzmahler sieht. Der schwarze Rabe im Logo sieht verdammt cool aus, der Kaffee schmeckt, ist nachhaltig und wird neben dem kleinen Hauptquartier im Stuttgarter Osten auch in Läden wie dem Kap Tormentoso angeboten. Regional, fair gehandelt und lecker, dafür natürlich nicht ganz billig. Aber die Facebook-Bildchen, die uns dummen Deutschen hochrechnen, wie viel eigentlich dieser Kapselschund pro Kilo kostet, kennen wir ja alle.

 

Konkurrenzverhalten und Revierkämpfe befürchten Stuttgarts Röster trotz der Neueröffnungen nicht. „In Deutschland gibt es vielleicht 600 Röstereien“, so Dachale. „Das sind deutlich mehr vor ein paar Jahren, aber beispielsweise noch längst nicht so viele, wie es in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts war. Da ist“, meint er tiefenentspannt, „noch eine Menge Luft nach oben.“

 

Filter über alles

 

Kaffee ist nicht gleich Kaffee. So viel dürfte jedem klar sein. Dass eine kleine Rösterei nicht unbedingt einen großen Kaffee produziert, auch. Hochland beispielsweise, im Vergleich mit den kleinen Privatröstereien ein regelrechter Riese und die größte Kaffee-Manufaktur Deutschlands, kann mit Fug und Recht von sich behaupten, einen fabelhaften Kaffee zu rösten. 1930 eröffnete Gustav Hunzelmann seine erste Kaffeerösterei auf der Königstraße, heute steht das Unternehmen synonym mit dem traditionsreichen Stuttgarter Einzelhandel.

 

Bei Hochland versteht man sogar was von Filterkaffee, viel mehr muss man wohl kaum sagen. Obwohl. So ganz klar ist das ja immer noch nicht. Was ist eigentlich die beste Methode, um einen Kaffee zuzubereiten? Handfilter, French Press, Herdkännchen, Aeropress oder gleich ein Chemex wie aus einer Folge „Breaking Bad“? Bücher könnte man damit füllen, Kriege damit auslösen. Und die Frage doch nicht beantworten.

 

Vielleicht schaut man sich auch einfach Jim Jarmuschs „Coffee & Cigarettes“ an, in dem Ikonen wie Tom Waits, Bill Murray oder Iggy Pop in mäandernden Dialogen über das Leben philosophieren. „Cigarettes and coffee, man, that's a combination“, seufzt Iggy Pop an einer Stelle. Von Cold Brew will der wahrscheinlich gar nichts wissen, doch das ist ja das Wunderbare daran. Die schöne neue Welt der schwarzen Bohne hält was für jeden bereit. Vonarx von Earlybird: „Ich schwöre auf Handfilter!“ Die sind klein, handlich und günstig, in der Keramikausführung geben sie keinerlei Geschmack ab. Dachale stimmt zu: „Ich habe zuhause zahlreiche Geräte, mit denen ich Kaffee zubereiten kann, doch der Handfilter ist mein Favorit.“

 

Schöne neue Kaffeewelt

 

Und selbst wenn auch etwas Alltägliches und Einfaches wie Kaffee mittlerweile schon wieder die Besserwisser oder Anderstrinker hinter der Röstmaschine hervorlockt, darf man nicht vergessen, wie viel wir durch diesen Trend hin zu mehr Kaffeebewusstsein gewonnen haben. Solange wir auf Flohmärkten mittlerweile ein schniekes Barista-Mobil haben, das rassigen Espresso aus edlen Siebträgermaschinen in Becher presst und wir nicht mehr länger auf den Knopf einer dieser riesigen Edelstahlungetüme drücken und diese hellbraune Brühe anschließend mit Kaffeeweißer runterwürgen müssen, könnte es nämlich wirklich nicht besser laufen in der schönen neuen Kaffeewelt. Nur diese grausigen Pad-Maschinen gehören endgültig verboten. Wer die benutzt, hat die Kontrolle über sein Leben längst verloren.

 

Kaffee in und aus Stuttgart:

Earlybird Coffee: www.earlybird-coffee.de

Mókuska Caffè: www.mokuska-caffe.de

Fröhlich Kaffeerösterei: www.froehlich-kaffee.de

Hochland Kaffee: www.hochland-kaffee.de

Schwarzmahler Kaffee: www.schwarzmahler.de

Caffè Principe: www.caffe-principe.eu