Manche Bühnen fangen derzeit an, mit Abstand zu spielen. Thomas Ostermeier aber, der Leiter der Schaubühne in Berlin, sagt, man müsse nun auch mit wenigen Mitteln wieder richtig rein in die gesellschaftliche Auseinandersetzung.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Im Rahmen des Masterplans Kultur, den das Kunstministerium Baden-Württemberg unlängst vorgestellt hat, wird die Formel „Kunst trotz Abstand“ propagiert. Praktisch kann es so vom 1. Juni an wieder zur Präsentation von „kleinen Formaten“ im Theaterrahmen kommen. Nach dem Hamburger Thalia Theater, das in Deutschland zuerst wieder mit Proben angefangen hatte, melden sich unterdessen auch die Münchner Kammerspiele („unter strenger Einhaltung eines ausgearbeiteten Hygienekonzepts“), sowie die Berliner Schaubühne zurück. Selbstredend steht nicht „Das Käthchen von Heilbronn“ auf dem Programm, was personelle Massenaufläufe verursachen würde, und auch keine Feydeau-Komödie, wo die Ensemblemitglieder andauernd kollidieren. Boulevardtheater, seit jeher mit viel Haptik verbunden, dürfte es eh schwer haben in Zukunft.

 

Keine Illusionen

Während manche Intendanten sich noch zu erträumen scheinen, dass bald wieder ein Spielplan steht, auf dem von der Antike bis zur Gegenwart so gut wie alles vertreten sein könnte, will sich der künstlerische Leiter der Berliner Schaubühne, Thomas Ostermeier, keinen Illusionen hingeben. Sein Spielplan, hat er der „Berliner Zeitung“ gesagt, sei eine Ruine. Gleichwohl will Ostermeier neues Leben auf den Trümmern wachsen lassen, und da kommt vor allem die Monologform in Frage. Das Amsterdamer Toneelhuis hat das Programm komplett auf Solo umgestellt – und ist auf Wochen hinaus ausverkauft. Ein Stück des Regisseurs Ostermeier käme gleich in Frage, nämlich die Interpretation von Didier Eribons Buch „Rückkehr nach Reims“. Neben der Hauptdarstellerin Nina Hoss sind die Nebenrollen an Videozuspielungen und Bandaufzeichnungen vergeben.

Neu motiviert auf der Bühne

Der Pandemie kann Ostermeier grundsätzlich aber auch etwas abgewinnen – schließlich habe sie ein gewisses „Gleichmaß“ im theatralen Trott beendet. Ostermeier jedenfalls fühlt sich neu motiviert, in den Widerspruch zu gehen und stellvertretend gesellschaftliche Kämpfe auszutragen, was von jeher der eigentliche Sinn und kulturelle Auftrag der Bühnen gewesen sei. Andernfalls, sagt der Realist und Utopist Ostermeier, könne man sich das Theater tatsächlich sparen.