Ein 36 Jahre alter Mann verschanzt sich mit zwölf Menschen in einem Imbiss in Freiburg und droht, den Laden in die Luft zu sprengen. Nach Stunden des bangen Wartens wird der Mann festgenommen.

Freiburg - Der Nervenkrieg dauert fast 14 Stunden. Er hält ein Heer von Polizisten und Rettungskräften eine ganze Nacht in Atem, versetzt ein Industriegebiet in Freiburg in den Ausnahmezustand. In einem schmucklosen Schnellimbiss, an einer stark befahrenen Straße zwischen zwei Lebensmitteldiscountern gelegen, verschanzt sich ein 36 Jahre alter Mann. Er wird als gefährlich eingestuft und ist angeblich bewaffnet. Er werde sich in die Luft sprengen, sagt er laut Polizei. Zwölf Menschen befinden sich mit dem Imbiss-Betreiber in dem Gebäude. Werden sie bedroht?

 

Am Donnerstagabend gegen 19 Uhr beginnt das Drama, es endet Freitagfrüh um 08.42 Uhr. Spezialkräfte in schwarzen Uniformen und Helmen stürmen das Lokal und nehmen den 36-Jährigen fest. „Der Imbiss ist leer“, sagt eine Sprecherin wenige Minuten später. Aufatmen. Es deutet vieles darauf hin, dass der Zugriff unblutig verlief. Die Sanitäter rücken nicht aus.

"Geiseln" sind freiwillig im Imbiss

Doch zurück zum Anfang: Es sieht zu Beginn aus wie ein Geiseldrama, entwickelt sich in der Nacht zunehmend zum Verwirrspiel. Im Schnellimbiss befinden sich Frauen und Männer, wohl auch Kinder. Die Polizei spricht zunächst von Geiseln, die sich in der Gewalt des Täters befinden, zieht diese Formulierung später aber wieder zurück.

Da es Verwandte und Bekannte des Mannes seien, könnten auch Unterstützer darunter sein. Es könne nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass sie freiwillig bei ihm seien. Der 36-Jährige, heißt es, sei in einem emotionalen Ausnahmezustand. Experten der Polizei telefonieren immer wieder mit ihm und versuchen auf ihn einzuwirken. Doch der Mann wird laut und reagiert aggressiv. Bis zuletzt gibt es keine Annäherungen in den Gesprächen.

Die Lage wird im Laufe der Nacht immer unübersichtlicher, auch für die Polizei. Das Industriegebiet wird weiträumig abgesperrt. Im Mittelpunkt der mit Lichtgirlanden geschmückte Schnellimbiss, den der 36-Jährige betreibt und um den herum Spezialkräfte der Polizei auf der Lauer liegen. Was im Inneren vorgeht, weiß außerhalb niemand. Auch die Polizei kann nur rätseln.

Ein Mann wird festgenommen - doch es ist nicht der Täter

Dann, gegen 6.30 Uhr, kommt ein Mann mit erhobenen Händen aus dem Gebäude. Er trägt Jeans und Baseballkappe. Die Spezialkräfte legen ihm Handschellen an und führen ihn ab. Ein Ende des Dramas scheint in Sicht, doch es kommt anders. Wenig später stellt die Polizei fest, dass der Mann nicht der Täter ist, sondern ein Unterstützer.

Der 36-Jährige ist weiter im Gebäude. Es treffen immer mehr Spezialkräfte der Polizei ein. Der Rettungsdienst errichtet auf dem Parkplatz eines benachbarten Baumarkts eine mobile Sanitätsstation, in der mögliche Verletzte sofort medizinisch versorgt werden können. 85 Sanitätshelfer und acht Notärzte sind vor Ort. „Mehr Kräfte gibt es in Freiburg nicht“, sagt der Leitende Notarzt Frank Koberne. Ein solches Ereignis habe es in Freiburg noch nie gegeben. Doch die Sanitäter und Ärzte werden glücklicherweise nicht zum Einsatz kommen an diesem Morgen.

Das Motiv des 36-Jährigen bleibt bis zum Schluss des Dramas unklar. Für die Polizei ist er jedoch kein Unbekannter: Er sei wegen Waffen- und Drogendelikten aufgefallen. Und noch etwas anderes lässt aufhorchen: Der Mann habe politisch motivierte Straftaten verübt. Am Donnerstag schwänzte er laut Polizei einen Gerichtstermin, bei dem es um ein Drogendelikt gehen sollte. Stattdessen rief er bei der Polizei an. Und drohte, er sei zu allem bereit.

Die Chronologie der Ereignise

etwa 19 Uhr: Ein Mann ruft bei der Polizei an, sagt er sei in seinem Schnellimbiss und zu allem entschlossen. In dem Gebäude sind außer ihm noch zwölf Menschen.

etwa 21 Uhr: Die Polizei startet einen Großeinsatz, umstellt den Imbiss und alarmiert Spezialkräfte sowie Rettungsdienste und die Feuerwehr.

etwa 22 Uhr: Die Beamten sprechen von einem Mann, der sich verschanzt und mehr als zehn Menschen in seiner Gewalt habe.

etwa 23 Uhr: Das Industriegebiet ist weiträumig abgesperrt, auf dem Parkplatz eines Baumarktes ist eine mobile Sanitätsstation aufgebaut. Die Polizei verhandelt mit dem Täter.

etwa 1 Uhr: Ruhe rund um das Gebäude. Die Polizei rätselt, was innen vor sich geht. Die ganze Nacht wird verhandelt, ohne das außen etwas Größeres vor sich geht. Kamerateams, Fotografen und Journalisten beobachten vor Ort das Geschehen.

etwa 1.20 Uhr: Laut Polizei sind wohl auch Kinder mit im Gebäude.

etwa 2.30 Uhr: Die Polizei will nicht ausschließen, dass einige der mutmaßlichen Geiseln freiwillig mit im Imbiss seien.

etwa 6 Uhr: Es kommt Bewegung in das Gebiet rund um den Imbiss. Ein Linienbus fährt vor, begleitet von Polizeifahrzeugen. Niemand wird einsteigen, der Bus bleibt leer stehen. Immer mehr Schaulustige kommen sowie Menschen, die zur Arbeit wollen. Sie werden an den Polizeisperren abgewiesen. Niemand darf das Gebiet betreten.

etwa 6.15 Uhr: Ein Mann verlässt mit erhobenen Händen den Schnellimbiss und wird von der Polizei in Handschellen abgeführt.

etwa 7.10 Uhr: Polizei bestätigt: Der Mann, der das Gebäude verlassen hat, ist nicht der Täter, sondern ein Unterstützter.

etwa 8 Uhr: Die Polizei erklärt, die Menschen im Imbiss seien Unterstützer des Mannes und freiwillig in dem Imbiss.

8.42 Uhr: Zugriff der Polizei, der Täter wird festgenommen.

etwa 9 Uhr: Die Polizei gibt die Festnahme bekannt.