Daimler hat in seiner Zentrale temporär Räume errichet, wo Mitarbeiter Start-up-Methodik lernen. Das so genannte Design Thinking gilt auch bei immer mehr deutschen Firmen als Rezept für Innovation.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Wenn ein Weltkonzern wie Daimler an seinem Hauptquartier in Stuttgart-Möhringen von einem „Container“ spricht, dann ist der anders als die improvisierten, liebevoll-chaotischen Räume eines Startups. Der schwarze, rundum verglaste Bau mitten im massigen Bürokomplex kann nicht verleugnen, dass er normalerweise bei der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft als komfortable Station für den Renn-Tross dient.

 

Während fast zwei Monaten, vom 31. Oktober bis zum 19. Dezember, soll er jetzt in der Saisonpause als „Pop up Space“ auf einer Rasenfläche die Aufbruchsstimmung und den Innovationsgeist symbolisieren, den Konzernchef Dieter Zetsche der Belegschaft nahe bringen will. Insgesamt 1000 Konzernmitarbeiter aus den unterschiedlichsten Abteilungen und aus Standorten in ganz Deutschland werden hier den Prozess des so genannten Design Thinking durchlaufen. Diese zunächst in der US-Startup-Kultur und im IT-Bereich perfektionierte Methode will den Teilnehmern beibringen, kreativ von den Bedürfnissen der Kunden her zu denken, Dinge auszuprobieren und zu improvisieren anstatt auf Ingenieursart nach festen Vorgaben zu perfektionieren.

Die Neugier auf die neue Methoden ist groß

In einem offenen und hierarchiefreien, aber dennoch klar strukturierten Rahmen sollen so Ideen zu Tage gefördert werden, die im normalen Büroalltag keine Chance haben. Damit reiht sich Daimler in eine immer längere Phalanx von deutschen Firmen ein, die diese Innovationsstrategie für sich entdeckt haben. „Neue Methoden, neue Ansätze, unkonventionell, kreativ, lösungsorientiert“, so beschreibt Jan Brecht, Daimlers IT-Chef, die Ziele. Er unterstreicht, dass es hier beileibe nicht nur um IT-Themen gehe, sondern um alle Bereiche des Konzerns. „Natürlich ist das zunächst ein Symbol und wir werden von diesem Container aus nicht die Welt verändern“, sagte Brecht bei der Präsentation vor der Presse: „Es ist eher ein Appetithappen.“ Die meisten Mitarbeiter im Konzern seien mit Design Thinking Methoden bisher noch nicht vertraut. „Wir wollen das Thema bekannt und sichtbar machen“, sagt Helmut Schütt, der IT-Chef der Daimler-Nutzfahrzeugsparten.

Erstes Symbol für einen Kulturwandel

Der Hunger nach solchen Impulsen scheint bei den Mitarbeitern jedenfalls vorhanden gewesen zu sein: Binnen eines halben Tages waren sämtliche Termine ausgebucht. Das Angebot reicht dabei von zweistündigen Schnupperkursen, welche die Mitarbeiter mit den Grundzügen des Design Thinking vertraut machen, bis hin zu ein- oder mehrtägigen Kreativsitzungen, aus denen dann auch konkrete Ideen entstehen sollen, die dann im Konzern umgesetzt werden können. „Wir wollen hier interdisziplinär arbeiten und die Dinge sehr schnell erproben,“ sagt Schütt. Alle Bereiche des Konzerns seien vertreten, sagt Daniel Biedermann, der als interner „Coach“ aus dem Konzern die Gruppen begleitet und moderiert.

„Es ist klar, dass wir dafür auch dauerhaft Räume schaffen müssen“, sagt IT-Chef Brecht. Und das kann man wörtlich nehmen: Daimler arbeitet zurzeit an einem umfassenden, neuen Raum- und Bürokonzept, das letztlich temporäre „Pop-up Spaces“ überflüssig machen soll. Eine Garantie dass die gefundenen Ideen anschließend im Konzern konkret umgesetzt werden, gibt es aber nicht. Wichtiger als die konkreten Projekte soll die Inspiration der Teilnehmer sein. „Wir wollen, dass sie als Multiplikatoren ihre Erfahrung in den Konzern tragen“, sagt Brecht.