Urmila Chaudhary, die zwölf Jahre ihres Lebens in Nepal als Kindersklavin verbracht hat, ist mit dem Theodor-Haecker-Preis 2017 ausgezeichnet worden. „Der Kampf ist noch nicht zu Ende“, sagt sie.

Esslingen - Danke schön, all of the Germans and Esslingen“, mit diesen Worten hat sich die ehemalige nepalesische Kindersklavin Urmila Chaudhary für die Verleihung des Theodor-Haecker-Preises für politischen Mut und Aufrichtigkeit bedankt. Ihre vorausgegangene, nahezu einstündige Rede am Sonntag im Neckarforum von Esslingen hat den 500 Zuhörern zweierlei klar gemacht: Zum einen hat der Esslinger Gemeinderat den Preis, der an den zwischen den beiden Weltkriegen in Esslingen aufgewachsenen Freigeist Theodor Haecker erinnert, der richtigen Frau zuerkannt – und zum anderen ist der von ihr geführte Kampf um das Ende der Ausbeutung von Kindern in dem Himalaya-Staat noch lange nicht zu Ende.

 

Urmila Chaudhary weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst zwölf Jahre ihres Lebens als Kindersklavin bei reichen Leuten in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals gearbeitet – im Alter von sechs Jahren verkauft von ihren Eltern, wie es aus Tradition oder gezwungen durch das Elend der verarmten Dorfbevölkerung oft geschieht. Unterm Strich hat sie und damit ihre Familie für die zwölf einsamen und tränenreichen Jahre nur einen doppelten Jahreslohn bekommen – nicht mehr als 70 Euro.

Morddrohungen und Prügel

Vom Bruder wieder nach Hause geholt, hat sie sich einer Organisation ehemaliger Kindersklaven angeschlossen, die das System der Kamalari, der „hart arbeitenden Frauen“, aktiv bekämpft. Sie hat Mädchen vor einem ähnlichen Schicksal wie dem ihren bewahrt, indem sie sie eigenhändig aus den Bussen holte, die auf dem Weg in die Städte waren. Als Gesicht der Bewegung hat sie Morddrohungen erhalten. Doch auch die drei Wochen im Krankenhaus, in denen sie ihre bei einer gewaltsam aufgelösten Demonstration erlittenen Verletzungen auskurierte, haben sie nicht von ihrem Weg abgebracht. Das System der Kamalari ist zwar inzwischen von der Regierung Nepals offiziell geächtet, doch noch immer gibt es den Erkenntnissen des von Chaudhary geleiteten Free Kamalari Development Forums zufolge tausende junger Mädchen, die fern ihrer Heimatdörfer unter sklavenähnlichen Bedingungen in den großen Städten gehalten werden.

„Die Arbeit ist noch lange nicht beendet“, sagt die zierliche Frau, die im Neckarforum mit stehendem Beifall empfangen worden war. Jetzt gehe es vor allem darum, den 6000 bisher befreiten Kamalari einen Zugang zu Schule, Berufsausbildung oder Studium zu ermöglichen.

Die Stadt muss ihrer Verantwortung früheren Preisträgerinnen gegenüber gerecht werden

Auch für die Stadt Esslingen als Ausloberin des seit dem Jahr 1995 verliehenen Preises ist die friedensstiftende Arbeit mit dem Festakt in der Regel noch lange nicht beendet. Das zeigt das Schicksal von Dr. Leyla Yunus, der im Jahr 2013 ausgezeichneten Regimekritikerin aus Aserbaidschan. Der Preis hat nicht verhindert, dass sie in ihrer Heimat weiter verfolgt und ins Gefängnis gesperrt wurde, wohl aber hat er verhindert, dass sie und ihr Kampf der Vergessenheit anheim fällt. Seit April 2016 lebt Leyla Yunus bei ihrer Tochter in Amsterdam. Das zeigt aber auch das Schicksal von Eren Keskin, der im Jahr 2005 geehrten türkischen Menschenrechtlerin. Eren Keskin ist aktuell in der Türkei von der Inhaftierung bedroht, weshalb im Foyer des Neckarforums Unterschriftenliste und -karten mit Solidaritätsadressen ausgelegt waren. Zusätzlich setzt sich den Worten von OB Jürgen Zieger zufolge auch die Stadt Esslingen bei den türkischen Behörden für die Theodor-Haecker-Preisträgerin ein.