Heinrich Haasis, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, verlangt von den Ländern Klarheit über die Zukunft der Landesbanken.

Stuttgart - Heinrich Haasis, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), verlangt von den Ländern in den nächsten Monaten Klarheit über die Zukunft der Landesbanken. Er sieht für die Landesbank Baden-Württemberg Geschäftspotenzial. Das Stuttgarter Institut könnte den deutschen Sparkassen interessante Dienstleistungen anbieten.

Herr Haasis, warum verlässt ein Musterschwabe wie Sie, der im Südwesten tief verwurzelt ist, Baden-Württemberg und zieht an den Starnberger See?


Baden-Württemberg ist und bleibt meine Heimat. Und in Stuttgart haben wir nach wie vor eine Wohnung und werden auch oft dort sein. Meine Frau und ich haben lange Zeit nach einem Grundstück gesucht, wo wir auf Wiesen und nicht auf Häuser schauen können. Auf Bayern wurden wir per Zufall aufmerksam, wir haben dort ein geeignetes Objekt mit guter Infrastruktur gefunden.

Der "Spiegel" hat kürzlich enthüllt, Sie hätten sich abfällig über schwäbische Hilfsbereitschaft geäußert.


Das stimmt nicht. Ich habe in einem persönlichen Gespräch bei einem Empfang von zwei sehr positiven Erlebnissen von Hilfsbereitschaft berichtet. Gemeinsam haben wir überlegt, ob dies überall so wäre. Das war alles. Dass daraus zwei Medien eine angebliche Lästerkampagne über Baden-Württemberg machen, hat mich empört. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht abfällig oder negativ über Baden-Württemberg denke oder rede.

Sie haben Ihr Amt 2006 mit viel Ambition angetreten. Seitdem geht es vor allem um Krisenmanagement, die Landesbanken-Konsolidierung ist in weite Ferne gerückt. Bestätigt sich erneut, dass der Präsident der deutschen Sparkassen zwar nach innen wichtig ist und die Organisation in der Öffentlichkeit vertritt, seine Möglichkeiten aber beschränkt sind?


Die Sparkassen sind kein Konzern, und wir wollen keiner werden. Unsere dezentrale Struktur hat sich in der Krise bewährt. Die Aufgabe des DSGV-Präsidenten ist es, diese Dezentralität nach außen zu verteidigen. Ich trete mit voller Überzeugung für ein System ein, in dem eben nicht allein die Person an der Spitze des deutschen Verbandes Entscheidungen trifft, sondern die Kompetenzen gut verteilt sind. Natürlich macht dies manche Entscheidungen auch schwerer. Bei den Landesbanken passiert jetzt das, was die Sparkassen schon seit Jahren gewollt haben: der Abbau von Risiken. Natürlich wäre es besser gewesen, wir hätten das gemeinsam mit den Ländern schon vorher realisiert. Aus meiner Sicht hätten uns mehr Gemeinsamkeiten bei Landesbanken dabei geholfen.

Alle Landesbanken sind mit sich selbst beschäftigt. An Fusionen denkt zurzeit keiner.


Natürlich steht derzeit bei einem Teil der Landesbanken die Krisenbewältigung im Vordergrund. Trotzdem bleibt die Konsolidierung unser Ziel. Fusionen sind aber kein Selbstzweck. Sie dienen der Verkleinerung und sind ein erfolgversprechender Weg, international ausgelegtes, reines Finanzmarktgeschäft zurückzufahren und die Institute wieder mehr auf die Begleitung von Unternehmen auszurichten.

Der künftige baden-württembergische Ministerpräsident Mappus kann sich vorstellen, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in einigen Jahren zu privatisieren. Auch Bayerns Regierungschef Seehofer denkt in diese Richtung. Die FDP ist ohnehin dafür. Wäre das nicht die beste Lösung?


Sparkassen als dezentrale Kreditinstitute brauchen Dienstleister, die für sie und ihre Kunden bestimmte Aufgaben übernehmen - etwa im Ausland, bei Währungsabsicherungen oder im Großkundengeschäft. Dazu brauchen sie ein Institut, das ihnen möglichst mehrheitlich gehört. Wenn eine Landesregierung der Ansicht ist, dass sie die Landesbank privatisieren will, ist das ihre Entscheidung. Man sollte dann aber auch sehen, dass auch die Sparkassen ihre betriebswirtschaftlichen Interessen wahren müssen. Wenn die Politik will, dass die jeweiligen Landesbanken zentrale Funktionen für die deutschen Sparkassen wahrnehmen, sind private Miteigner, womöglich sogar noch Wettbewerber, für uns ausgeschlossen. Das sind zwei Wege, die sich für uns gegenseitig ausschließen. Für uns ist nur wichtig, dass dies bald geschieht. Denn die Sparkassen müssen wissen, mit welchen Dienstleistern sie in der Zukunft zusammenarbeiten können.

Was heißt das für die LBBW in Stuttgart und die BayernLB?


In Bayern ist die Situation anders als in Baden-Württemberg. Hier im Land haben die Sparkassen die Kapitalerhöhung bei der LBBW mitgemacht, sie sind auf Augenhöhe mit dem Land. In Bayern sind die Sparkassen nur noch mit ungefähr fünf Prozent an der Landesbank beteiligt. Das ist eine vollkommen andere Lage als vor zwei Jahren.

Sie können sich eine Privatisierung in Bayern vorstellen, nicht in Baden-Württemberg?


In München entscheidet die Staatsregierung fast allein, weil ihr nahezu alle Anteile gehören. Wenn Bayern eine private Geschäftsbank machen will, sollten aber die Sparkassen gänzlich ausscheiden können. In Baden-Württemberg kann es angesichts der Gesellschaftsverhältnisse nur eine gemeinsame Lösung geben. Die Landesbank Baden-Württemberg hat viele interessante Dienstleistungen für die Sparkassen in Deutschland. Es wäre bedauerlich, wenn sich das Land für einen Weg entscheiden sollte, der solche Gemeinsamkeiten im Markt nicht mehr möglich macht. Ich würde das im Sinne der betroffenen Unternehmen und im Sinne der Kunden nicht für richtig halten.

Die LBBW soll sich in die Regionen ausdehnen, die über keine öffentlich-rechtliche Landesbank mehr verfügen?


Diese Möglichkeit besteht heute schon. Und wir werden weitere Veränderungen bekommen, nicht zuletzt durch Entscheidungen der EU. Aus diesem Grund wird sich die Zusammenarbeit zwischen den Sparkassen und Landesbanken neu sortieren.

Ein erfahrener Banker sagte einmal: Die meisten Firmenpleiten gibt es im Aufschwung. Verschärft sich die Kreditversorgung in diesem Jahr?


Eine Kreditklemme gibt es bei uns nicht. Die Sparkassen haben im vergangenen Jahr ihre Kreditzusagen für Unternehmen um knapp 5,5 Prozent erhöht. Seit dem Konjunkturgipfel im Kanzleramt haben wir allein im Dezember nochmals fast sieben Milliarden Euro an neuen Krediten vergeben - das sind 1,8 Mrd. Euro mehr als im November. Ich kann zusagen: Wer Gewähr für die spätere Rückzahlung bietet, bekommt bei Sparkassen Kredit.

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx sagt: "Ich hätte mir gewünscht, dass die Vertreter der Wirtschaft bescheidener werden und einräumen, Fehler gemacht zu haben." Warum zeigen Banker kaum Selbstkritik?


Bischof Marx hat recht. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass Banken kein Selbstzweck sind, sondern eine dienende Funktion haben und sich nicht in ihren Renditeerwartungen oder Wachstumsfantasien vom realen Leben abkoppeln dürfen.

Großbritannien belegt Bonuszahlungen mit hohen Steuern, der US-Präsident will den Eigenhandel der Geschäftsbanken ganz unterbinden. Sind das taugliche Instrumente?


Ich kann nicht verstehen, mit welcher Chuzpe Teile der Finanzwirtschaft schon wieder spekulativ unterwegs sind, sich Boni genehmigen und fast unverhohlen auf Staatshaftungen wegen ihrer systemischen Größe verweisen. Die Sparkassen haben diesen Boniwahnsinn früher nicht mitgemacht und machen es auch jetzt nicht. Eine Steuer auf Boni wird aber nichts ändern, weil die Bezahlung die Investmentbanken übernehmen. Aus meiner Sicht ist das Kernproblem, dass die Finanzwirtschaft durch virtuelle Produkte schneller gewachsen ist als die Realwirtschaft. Wer das ändern will, muss den Sektor insgesamt verkleinern und darf keine Megabanken akzeptieren, die ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen können. Im Moment werden von vielen Regulierungsvorschlägen der Politik aber eher diejenigen Kreditinstitute getroffen, die solides Kreditgeschäft machen. Hier werden harte Auseinandersetzungen notwendig.

Mit Wolfgang Schäuble ist ein baden-württembergischer Landsmann Finanzminister geworden. Was sind Ihre Erwartungen?


Ich kenne Wolfgang Schäuble seit vielen Jahren. Er hat in seinen verschiedenen Ämtern immer überzeugt und fällt auf durch Klarheit, Sachlichkeit, Präzision und Unbeirrbarkeit. Ihm traue ich zu, mit aller notwendigen Härte die Staatsfinanzen auf eine solide Basis zu stellen. Er bringt große Unabhängigkeit und lange politische Erfahrung mit. Schäuble ist der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt.