Muhittin Soylu vom Zentralrat der Muslime beklagt im StZ-Interview, dass in vielen Städte Moscheen noch als Störung betrachtet werden. Gegen die Vorurteile setzt er auf Information und Aufklärung.

Stuttgart - In vielen Kommunen werden Neubauten für Moscheen immer noch als Störfaktor betrachtet, sagt Muhittin Soylu. Der 49-Jährige ist seit 2011 Vorsitzender des baden-württembergischen Zentralrats der Muslime und der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Er lebt in Ludwigsburg, wo er im Integrationsbeirat sitzt.

 
Herr Soylu, wie hat sich die Moscheenlandschaft in der Region in den vergangenen Jahren verändert?
Ich schätze, dass es im Großraum Stuttgart etwa 50, in ganz Baden-Württemberg rund 300 Moscheen gibt, wobei die meisten zu Gebetszwecken umgebaute Räumlichkeiten sind. Zuwächse hat es nur vereinzelt gegeben. Vielmehr sind einige umgezogen. Es gibt tatsächlich die Tendenz, die alten Gebäude zu verlassen und in repräsentativere Neubauten zu ziehen, mit einer eigenen Kuppel und einem Minarett.
Worauf führen Sie diesen Trend zurück?
Man möchte raus aus den Hinterhofmoscheen in die Mitte der Gesellschaft, wo der Islam hingehört. Das ist auch eine städtebauliche Bereicherung, mit der Kommunen werben könnten. In Esslingen etwa, wo man sich leider zu sehr in Details über die Turmhöhe verwickelt und letztlich um Zentimeter gestritten hat, liegt die Moschee in der Nähe der orthodoxen Kirche – beides im Positiven auffällige Gebäude.
Wie prägend sind in der Moscheen-Debatte die Aktivitäten von rückwärtsgewandten Islamanhängern, die zum Teil auch der Verfassungsschutz beobachtet?
Die Salafisten, die in diesem Bereich wohl die Hauptgruppe sind, schüren natürlich Ängste, haben in der Debatte über die Moscheebauten aus meiner Sicht aber eine geringe Bedeutung. Als Einzelpersonen versuchen sie zum Teil über Moscheen Einfluss auf Jugendliche zu gewinnen. Darauf reagieren unsere Mitglieder aber schnell – auch mit Hausverboten.
Ist der Widerstand gegen Moschee-Neubauten immer noch eher die Regel als die Ausnahme?
Es wäre schön, wenn ein Umzug oder ein Neubau mal ohne größeres Tamtam ablaufen könnte. Die Situation hat sich etwas entspannt, aber längst nicht in dem Maß, das ich mir wünsche. Die Vorbehalte sind oft sehr stark. Teilweise versuchen Kommunalverwaltungen, Neubauten zu verhindern, indem sie Bebauungspläne ändern und plötzlich Mischgebiete zu reinen Wohngebieten umfunktionieren oder Paragrafen hinzufügen, die die Ansiedlung von Gebetsräumen ausschließen. Am liebsten wäre es vielen, wenn die Moscheen als „Störfaktor“ ins Industriegebiet abgeschoben würden. Aber da gehören sie wie die Kirchen nicht hin, sondern zu den Menschen.
Welche Kommunen verhalten sich so?
Es gibt so viele Beispiele, da möchte ich gar kein spezielles herauspicken. Mir geht es auch nicht darum, die Stimmung anzuheizen, sondern um die einvernehmliche Verständigung. Und natürlich gibt es auch Fälle, in denen die von Anwohnern befürchteten Parkplatzengpässe oder Lärmbelästigungen geprüft werden müssen. Aber in den meisten Fällen sind das vorgeschobene Argumente, hinter denen generelle Vorbehalte stecken. Dagegen wollen wir mit Information und Aufklärung angehen. Deshalb empfehlen wir unseren Mitgliedern, beim Tag der offenen Moscheen ungezwungen ihre Pforten zu öffnen. Die Moscheen können vermittelnd wirken als Orte des gegenseitigen Austauschs. Sie haben einen integrativen Charakter. Aber diese Chance auf ein friedliches Miteinander muss man auch nutzen.