Die ukrainische Starhochspringerin Jaroslawa Mahutschich spricht über den Krieg in ihrer Heimat und ihre Besuche dort – und sie spricht sich klar gegen den Start von russischen und belarussischen Sportlerinnen und Sportlern bei Olympia in diesem Sommer in Paris aus.

Die ukrainische Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich hat am Mittwochabend beim Meeting in Cottbus mit übersprungenen 2,04 Meter bei ihrem Sieg ein starkes sportliches Signal zum Auftakt der olympischen Saison gesendet. Zugleich untermauerte die 22-jährige Ukrainerin dort ihre Forderung, dass russische und belarussische Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen im Sommer in Paris nicht zugelassen werden sollten – sie kann die Dezember-Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Teile von ihnen unter strikten Bedingungen unter neutraler Flagge antreten zu lassen, nicht verstehen.

 

Frau Mahutschich, dritter Sieg in Cottbus mit einer starken Flugshow, Weltjahresbestleistung mit 2,04 Meter und Verbesserung des Meetingrekords von Olympiasiegerin Maria Lasitskene (Russland) um zwei Zentimeter – hatten Sie so einen starken Einstand in die Olympiasaison erwartet?

Stolz auf das Ergebnis

Ich bin sehr stolz über dieses Ergebnis und dass mich hier so viele Menschen unterstützt haben. Man möchte sich ja immer in die Geschichte eines Meetings mit Rekorden eintragen. Das ist mir hier mit dem Meetingrekord gelungen.

Haben Sie denn im sportlichen Bereich etwas verändert?

Oh ja, ich habe mit meiner Trainerin Tatjana Stepanowa zuletzt in Tallin an meinem Anlauf gearbeitet. Wir haben ihn schneller gestaltet, und es geht jetzt darum, die vertikale Umsetzung hinzubekommen.

Viel unterwegs

Was ist in Ihrem Leben nach dem Gewinn des WM-Titels in Budapest im vergangenen Sommer alles passiert?

Ich war sehr viel unterwegs in dieser Zeit: in China, Belgien, den USA. Dann bin ich in meine Heimat nach Dnipro in die Ukraine geflogen, um meine Familie zu besuchen, von dort ging es ins Trainingslager nach Belek in der Türkei, und zuletzt bin ich aus Estland nach Deutschland gekommen.

Starten Sie bei der Hallen-WM Anfang März in Glasgow?

Ja, ich möchte dort meinen Titel, den ich 2022 unter extrem emotionalen Bedingungen nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine gewonnen habe, verteidigen.

Denken Sie manchmal an jene WM 2022 in Belgrad zurück, zu der Sie damals in 60 Stunden 2000 Kilometer quer durch Europa zur WM gefahren sind?

Oh, das waren damals drei Tage nach Kriegsausbruch schreckliche Dinge, ich war wie in einem Burn-out. Der WM-Titel hat mir aber viel Motivation gegeben.

Seitdem sind Sie auf einer langen Reise durch Städte, Stadien und Länder unterwegs. Dies war mutmaßlich eine schwierige Reise für Sie?

Oh ja. Ich war zwischendurch zu Hause in Dnipro bei meiner Familie, konnte dort viele zerstörte Häuser und Straßen sehen. Trainieren war nicht möglich. Der Ukraine-Besuch war dennoch wie Ferien für mich. Ich habe meinen Vater 2023 nur zweimal gesehen, aber wir hatten Kontakt per Telefon und Video. Meine Mutter konnte mich in Europa immerhin noch zweimal besuchen.

Sie sind in Stadien zu Hause, wie erleben Sie den Krieg in der Heimat?

Die Menschen zu Hause leben mit Angst, Luftalarm und Raketenangriffen. Aber nicht alle sind ja im Krieg, unterstützen das Land von zu Hause aus. Das Leben geht weiter in der Ukraine.

Wenn Sie auf vielen Stationen durch die Welt reisen, fühlen Sie sich dabei in Freiheit?

Ich fühle mich zu Hause tatsächlich frei. Meine letzten beiden Besuche dort im Oktober und Dezember waren die beste Zeit meines Lebens in den letzten zwei Jahren. Da bin ich geboren, das ist mein Land, da ist meine Kultur, wir haben dieselben Probleme, meine Landsleute geben mir die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen und Europa kennenzulernen.

Kindheitstraum New York

Gibt es einen Lieblingsort für Sie?

Das ist die Ukraine. Ich liebe aber New York, das war schon ein Kindheitstraum. Der war aber zu teuer für meine Eltern. Inzwischen war ich schon dreimal dort, habe gemodelt und fühle in dieser Stadt eine gute Schwingung. Ich würde gerne wieder hingehen.

In Ihrer sportlichen Bilanz fehlen noch zwei Dinge: der Olympiasieg und der Weltrekord, der seit 1987 mit 2,09 Meter von Stefka Kostadinowa gehalten wird.

Ja, ich möchte den Titel bei den Olympischen Spielen gewinnen, er ist sehr wichtig für mich, aber der Weg dorthin ist sehr lang. Der Weltrekord ist natürlich eine interessante Sache. Auch dies ist sehr hart. Aber ja, irgendwann ist es mein Ziel.

Eine wichtige Saison

Wie sieht Ihr Weg zu den Olympischen Spielen nach Paris aus?

Natürlich ist 2024 wegen der Olympischen Spiele eine sehr wichtige Saison. Ich denke derzeit aber noch nicht an Paris. Mein Fokus ist auf die Hallen-WM in Glasgow gerichtet. Ab April, Mai gehen meine Gedanken dann Richtung Paris.

Das IOC hat im Dezember die Tür für russische und belarussische Athletinnen und Athleten bei den Spielen in Paris geöffnet. Wie fühlen Sie sich beim Gedanken daran, dort russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten zu begegnen?

Ich habe noch immer dieselbe Meinung: Russische und belarussische Athletinnen und Athleten dürfen auf internationaler Ebene nicht teilnehmen. Auch wenn sie unter neutraler Flagge starten, weiß doch jeder, woher sie kommen, und sie ändern auch nicht ihre Meinung. Ich bin sehr dankbar, dass der internationale Leichtathletik-Verband World Athletics mit Sebastian Coe an der Spitze seine Einstellung diesbezüglich nicht geändert hat.

Botschafterin der Ukraine

Erfolge
 Jaroslawa Mahutschich ist in den vergangenen zwei Jahren als amtierende Welt- und Europameisterin in der Halle und im Freien zu den Topstars der Leichtathletik und zur Botschafterin ihres Landes aufgestiegen. 2021 holte sie bei den Olympischen Spielen in Tokio Bronze.

Bestmarken
Mit ihrer Bestleistung von 2,06 Meter ist die 22-jährige Ukrainerin in der Halle die drittbeste Athletin aller Zeiten hinter Kajsa Bergqvist (Schweden, 2,08 Meter) und Heike Henkel (Leverkusen, 2,07 Meter). Im Freien liegt ihr persönlicher Rekord bei 2,05 Meter.