Die Musiker von Jennifer Rostock beziehen politisch mehr als deutlich Stellung, ihr Song über die AfD erreichte auf Facebook Millionen von Clicks. Im Interview sprechen sie über Punk, politische Statements, brennende Autos und den Wandel Berlins.

Berlin - Die Band Jennifer Rostock sorgt immer wieder mit politischen Statements für Aufsehen. So rief sie 2014 aufgrund der Nominierung von Frei.Wild zum Boykott der Echo-Verleihung auf und parodierten kürzlich anlässlich der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Song das Parteiprogramm der AfD. Am 9. September erscheint das Album von Jennifer Weist, Johannes Walter und Christoph Decker „Genau in diesem Ton“.

 
Sie leben seit vielen Jahren in Berlin, was sagen Sie zum Wandel der Stadt?
Johannes Walter: Ich bin vor sechs Jahren in den Prenzlauer Berg gezogen und es war krass, wie viele Locations zu der Zeit zugemacht haben oder weggezogen sind – vor allem weil es Probleme mit den Nachbarn gab.
Jennifer Weist: Ich wohne immer noch im Friedrichshain, dort wird es gerade ziemlich unruhig. Durch die Gentrifizierung, durch viele Polizisten, es gibt jetzt „Gefahrengebiete“ und viele Demos, weil die Leute sich aufregen. Ich habe zwischendurch überlegt, wegzuziehen.
Wegen den Demonstrationen?
Weist: Nein, die gab es ja auch früher. Aber vor seiner Haustür von der Polizei nach dem Ausweis gefragt zu werden, oder „Machen Sie mal die Taschen leer“, das kommt jetzt häufiger vor. Ich erkläre dann, ich sei Anwohnerin, worauf ich die Antwort bekomme, ich würde ja im Gefahrengebiet wohnen.
Was hat sich in Berlin zum Positiven verändert?
Walter: Man kann natürlich viel über Gentrifizierung abkotzen, aber grundsätzlich gehört Veränderung zu einer Stadt dazu. Man lebt ja in einer Stadt wie Berlin, wenn man Veränderung mag, wenn man nicht will, dass die Zeit stehen bleibt.
Weist: Ich fühle mich hier, trotz der ganzen Polizei-Geschichten, frei. Ich kann um 12 Uhr mittags ein Bier im Park trinken, ohne dass mich jemand schief anguckt, weil alle sehr offen und easy drauf sind. Das ist geblieben und das lässt sich Berlin auch nicht nehmen.
Die Rigaer Straße, wo es groß angelegte Polizeieinsätze gegen Hausbesetzer gab, ist inzwischen über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Wie nehmen Sie das Geschehen dort wahr?
Weist: Ich denke, in den Häusern wohnen ganz normale Leute.
Christoph Deckert: Das wird instrumentalisiert. Die Rigaer Straße wird für den Wahlkampf der CDU umgemünzt zur „No-Go-Area“. Die gibt es de facto aber gar nicht. Die Anwohner waren mit der Situation dort schon immer völlig d’accor, erst seit das große Polizeiaufgebot dort ist, eskaliert es.
Weist: Ich wache jetzt nachts manchmal auf, weil ein Auto brennt.
Können Sie Verständnis dafür aufbringen, wenn jemand aus Protest zum Beispiel gegen die Politik, Autos anzündet?
Walter: Ich finde es scheiße!
Weist: Ich genauso. Aber Farbbomben kann ich total verstehen.
Walter: Was bringt es, wenn ich ein Auto anzünde von jemandem, der mit der Sache nichts zu tun hat? Ich würde Protest anders ausdrücken. Man muss das aber auch immer in Relation sehen: Diesen Vergleich „Linker Terror ist so schlimm wie rechter Terror“, kann ich nicht mehr hören, weil er nicht stimmt. Statistisch gesehen gibt es weit weniger linke Straftaten als rechte.
Deckert: Und man kann Gewalt gegen Gegenstände nicht vergleichen mit Gewalt gegen Menschen.
Was ist Ihre Alternative zum Vandalismus?
Deckert: Demonstrieren gehen. Laut sein, dem Ganzen eine Stimme geben.
Weist: Unsere Musik. Wir können eigentlich immer – ob nun in Songs oder auch in Interviews – sagen, was wir denken und versuchen, das den Leuten näher zu bringen.
Deckert: Wut ist ein guter Antrieb für Kreativität.
Auf dem neuen Album „Genau in diesem Ton“ hört man wieder klar den Punk-Einfluss. Woher kommt der?
Walter: Von unserem Schlagzeuger Baku, der lebt das. Egal, was für einen Song du hast, sobald Baku dazu trommelt, erinnert es an Punk.