Jonathan Safran Foer stellt in seinem neuen Buch "Tiere essen" eine gesellschaftliche Kernfrage.

Washington - Genmanipulierte Puten, die nicht mehr fortpflanzungsfähig sind, Hühner, die kaum ihre überdimensioniert gezüchtete Brust tragen können, Schweine, die mit Medikamenten vollgepumpt werden: seit in der Antike Pythagoras zu den Kämpfern für den Vegetarismus zählte, ebenso wie später Mahatma Gandhi und Albert Schweitzer, haben sich die Zeiten für Tiere immer weiter verschlechtert.

"Schlachthäuser bedeuten Schlachtfelder"


Leo Tolstoi prophezeite zu Beginn des 20. Jahrhunderts: "Solange es Schlachthäuser gibt, wird es auch Schlachtfelder geben." Die industrielle Produktion und Vernichtung tierischen Lebens wurde inzwischen weltweit bis an die Grenzen des Möglichen ausgeweitet, wer diese Entwicklung aus ethischen Gründen hinterfragte, leicht als sentimental belächelt.

Das Problem nun mit Jonathan Safran Foers jüngstem Vorstoß in dieser Richtung ist, dass er so verdammt gut schreibt. Wäre er nur ein weiterer Sachbuchautor, der sich akribisch mit den Hintergründen des sich ständig erhöhenden Fleischkonsums auseinandersetzte, würde sein die Grundfesten amerikanischer Ernährungspolitik angreifendes Buch "Tiere essen" ein leicht zu ignorierendes Ärgernis bedeuten. Der 33-Jährige ist aber kein politischer Denker, er wurde durch seine Romane, die sich millionenfach in mehr als 30 Ländern verkauften, berühmt.

2002 erzählte er in "Alles ist erleuchtet" so klug, empfindsam und leichtfüßig von Holocaust-Überlebenden, wie es vielleicht erst der Enkelgeneration jüdischer Verfolgten möglich ist. 2005 gelang ihm ein ähnliches Kunststück mit "Extrem laut und unglaublich nah", verfasst aus der Sicht eines Kindes, das seinen Vater am 11. September in den Twin Towers verliert. Foer kann Menschen durch seine Sprache tief berühren, auch in "Tiere essen".

Eine Nervenkrise war der Auslöser


Denn wenn er sich in dem Sachbuch einem überaus heiklen Thema zuwendet und vorsichtig für sein Anliegen, einen ethischen Umgang mit sogenannten Nutztieren wirbt, verwendet er die gleichen geistigen Waffen wie in seinen fiktiven Werken: unerschütterliche Sanftmut, unerbittliche Analyse, selbstironische, gleichzeitig moralische Haltung und die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Sie ist wahrscheinlich Auswirkung einer langen Nervenkrise, die er neunjährig nach einem Chemieunfall in der Sommerschule zu bewältigen hatte.

Zwei Kameraden wurden dabei verstümmelt, er kam mit geringeren Verletzungen und einem dumpfen, inneren Schmerz davon: der Erfahrung von Mitleid angesichts des Grauens. Das befiel ihn vor einigen Jahren erneut, als er und seine Frau und Schriftstellerkollegin Nicole Krauss sich nach der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes mit der Frage befassten, wie sich die junge Familie denn nun ernähren wolle. Ansätze zum Vegetariertum hatte es schon früher gegeben, jetzt, in der Euphorie und der Sensibilität des neuen Anfangs, sollten Gewohnheiten überprüft werden.

"Ich wollte einfach wissen, was Fleisch ist", schreibt Foer, der sehr genau untersuchte, wo es herkommt, wie es produziert wird, wie die Tiere behandelt werden und welche ökonomischen, gesellschaftlichen und umweltrelevanten Auswirkungen der Verzehr hat. Dass seine Forschungen nichts Gutes ans Licht bringen würden, wusste er schon vorher. Safran Foer, der sich dazu bekennt, Fleisch eigentlich gerne zu essen, und wichtige Erfahrungen in seinem Leben mit dem Genuss tierischer Mahlzeiten zu verbinden, stieg nachts illegal in Geflügelfarmen ein und suchte das Gespräch mit den letzten in den USA noch verbliebenen Farmern alten Kalibers sowie mit alternativen Viehzüchtern.