Beim neuen Anlauf für den Jugendschutz in Fernsehen und Internet zeichnen sich schon jetzt eindeutige Schwachstellen ab. Mancher Film wird doppelt geprüft. Im Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern geht zuweilen die Logik verloren.

Stuttgart - Was war das Leben für Jugendmedienschützer doch einfach, als es nur Kino und Fernsehen gab! Noch heute künden klare Regeln davon, wie leicht sich diese überschaubaren Bereiche regulieren ließen: Für Kinofilme werden eindeutige Freigaben erteilt, die auch für DVDs gelten; und im Fernsehen sollen Sendezeitbeschränkungen verhindern, dass Kinder und junge Jugendliche mit Bildern konfrontiert werden, die sie überfordern könnten. Dummerweise existiert mittlerweile aber auch noch dieses Internet, in dem unbeaufsichtigte Nutzer allen Alters jeden nur denkbaren Müll finden. In Sonntagsreden versichern Politiker zwar gern, das Internet sei selbstredend kein freier Raum; aber der letzte Versuch, ernsthaft etwas für den Jugendschutz im Netz zu tun, ist 2010 gescheitert.

 

Immerhin nehmen die Bundesländer derzeit einen neuen Anlauf. Im letzten Jahr haben die Rundfunkreferenten ein erstes Eckpunktepapier für einen neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag online gestellt. Die Ergebnisse dieser Konsultation fließen in einen Entwurf ein, der den Ministerpräsidenten vorgelegt wird. Einige Eckpunkte bleiben allerdings Knackpunkte. Dazu zählt auch die Doppelprüfung von Fernsehfilmen und Serien, die für Privatsender produziert worden sind und zusätzlich auf DVD erscheinen sollen. Solche Produktionen werden vor der TV-Ausstrahlung durch die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) begutachtet. Vor der Zweitverwertung auf DVD ist aber eine erneute Prüfung nötig, und zwar durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), die auch für die Kinofilmfreigaben zuständig ist. Das ist vor allem deshalb absurd, weil in beiden Prüfgremien zum Teil dieselben Prüfer sitzen.

Hintergrund der Doppelprüfung ist eine noch aus dem analogen Zeitalter stammende Zuständigkeitsregelung: Während Rundfunk (inklusive Onlinemedien) Ländersache ist und daher durch Staatsverträge geregelt wird, sind die Freigaben für Kinofilme und DVDs Sache des Bundes und fallen unter das Jugendschutzgesetz (JuschG). Gelackmeiert sind die Privatsender, denn laut FSF-Geschäftsführer Joachim von Gottberg gilt die FSK-Freigabe „bei strenger Auslegung des Gesetzes auch dann für das Fernsehen, wenn die eigentlich für diesen Bereich zuständige FSF vorab bereits zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Das wird vor allem deshalb zum Problem, weil die DVD-Anbieter an einer Freigabe ab zwölf oder ab sechs Jahren im Normalfall nicht interessiert sind, denn für den Verkauf ist eine höhere Freigabe förderlich. Deshalb beantragen sie meist von vornherein eine Altersfreigabe ab 16.“ Für den TV-Alltag hieße das: RTL zeigt einen Film ab 20.15 Uhr. Später winkt die FSK für die DVD eine Freigabe ab 16 durch. Will der Sender den Film wiederholen, darf er ihn nun erst ab 22.00 Uhr ausstrahlen; RTL hätte erhebliche Einnahmeverluste, weil die Werbepreise zur Hauptsendezeit ungleich teurer sind. Bis vor einigen Jahren war dieses Phänomen nur eine Randerscheinung, aber mittlerweile machen TV-Produktionen rund ein Drittel der aktuellen DVD-Veröffentlichungen aus.

Für die Weiterentwicklung fehlt das Geld

Aus Sicht des neutralen Beobachters wäre die ebenso nahe liegende wie logische Lösung: Hat die FSF einen Film geprüft, gilt ihre Entscheidung auch für eine mögliche DVD-Veröffentlichung. Aber Logik steht beim Jugendmedienschutz offenbar nicht immer an erster Stelle. Das gilt auch für die nur halbherzig vorangetriebene Regulierung des Internets. Das Eckpunktepapier soll den technischen Jugendschutz stärken. Der funktioniert eigentlich ganz einfach: Eltern laden ein entsprechende Programm runter und geben eine Altersfreigabe ein. Auf diese Weise hat man zumindest eine gewisse Gewissheit, dass Seiten mit jugendgefährdenden Inhalten nicht mehr zugänglich sind. Bislang hat die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zwei solcher Programme bereits anerkannt: eine Software der Telekom und das Jugendschutzprogramm des Vereins zur Förderung des Kinder- und Jugendschutzes in den Telemedien. Beide bieten bestimmte Altersstufen für den altersdifferenzierten Zugang sowie eine relativ hohe Zuverlässigkeit. Leider laufen sie nur auf Windows-Rechnern, und auf mobilen Endgeräten funktionieren sie gar nicht; für die Weiterentwicklung fehlt das Geld.

Das größere Manko ist allerdings ein anderes: Die meisten Eltern haben keinerlei Ahnung von der Existenz dieser Programme. Deshalb haben Bund, Länder und Wirtschaft die Initiative „Sicher online gehen“ ins Leben gerufen. Derzeit wird ein Entwicklungsfonds konzipiert, der als Anschubfinanzierung für Module und Softwares dienen soll. Um eine größtmögliche Verbreitung zu gewährleisten, könnten die Jugendschutzprogramme zum Beispiel Teil eines Betriebssystems werden.

Angesichts der Verschmelzung sämtlicher Medien im Internet und des Kompetenzgerangels zwischen Bund und Ländern drängt sich die Frage auf, ob es nicht sinnvoller wäre, eine Art übergeordnete „Superbehörde“ für den Jugendmedienschutz zu schaffen. Die Einrichtung könnte die Aufsicht über die regulierte Selbstkontrolle übernehmen und wäre auch für ARD und ZDF zuständig. Dazu wird es jedoch in absehbarer Zeit gewiss nicht kommen, wie ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums feststellt: „Die Idee wurde bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens zum Jugendschutzgesetz erwogen, aber nicht weiterverfolgt. Grund ist, dass sie angesichts der von der Verfassung vorgegebenen Aufgabenverteilung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft.“