Julio Iglesias wird 80. Der Madrider ist einer der erfolgreichsten Schlagersänger der Welt und der König des spanischen Boulevards.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Neulich rief Jaime Peñafiel seinen alten Freund Julio Iglesias an. Wie es ihm denn gehe, kurz vor dem Achtzigsten. „De puta madre“, antwortete Iglesias, was sich unter Wahrung des Anstandes vielleicht so ins Deutsche übersetzen lässt: unverschämt gut. Julio Iglesias ist reich und berühmt, er hatte viel Glück in der Liebe, und den Geburtstag feiert er auf seinem Anwesen auf den Bahamas. De puta madre. Unverschämt gut.

 

Um Julio Iglesias war es die vergangenen Jahre stiller geworden. Seine letzte Platte nahm er 2015 auf, sein letztes Konzert gab er 2019. Aber um Julio Iglesias wird es niemals ganz still, nicht in Spanien und nicht im Rest der Welt. Da ist immer noch Platz für ein paar Gerüchte über die schlechter werdende Gesundheit, was in seinem Alter nichts Besonderes wäre, aber nein, auch die ist: de puta madre, wie er Jaime Peñafiel versichert, seinem alten Freund, der außerdem Spaniens einflussreichster Boulevardjournalist ist.

Der Mann verschwindet hinter seinem Ruhm

Der Schmachtbarde, der mit Hits wie „Me va, me va“ oder „Careless Whisper“ die Herzen der Fans schon seit 55 Jahren höherschlagen lässt, sagte mehrfach: „Ich habe beschlossen zu singen, bis ich 90 bin.“ In Spanien wird spekuliert, vor Weihnachten werde er bei der Einweihung des modernisierten Stadions von Real Madrid auf der Bühne stehen. Bei Julio Iglesias weiß man nie. Der Mann verschwindet hinter seinem Ruhm. 2017 berichtete er, dass er an seinen Memoiren schreibe, um ein paar „Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen“ aus der Welt zu räumen. Es gibt viel richtigzustellen, das Buch ist noch nicht fertig. Am Ende wird der Autobiografie ebenso zu trauen sein wie allen Autobiografien: nur halb.

Vergangenes Jahr erschien bereits eine unautorisierte Iglesias-Biografie, „Hey!“. Der spanische Autor Hans Laguna, Musiker und Soziologe, hatte sich fünf Jahre lang in alle Tiefen und Untiefen des Sängerlebens versenkt, so sehr, dass ihm die Figur wider Erwarten sympathisch zu werden begann, auch wenn er am Gründungsmythos der Iglesias-Weltkarriere rüttelt: dem Autounfall kurz vor seinem 19. Geburtstag.

Den Traum einer Torhüterkarriere bei Real Madrid gab er auf

Iglesias war kein geborener Sänger, das sagt er selber oft, und das glaubt ihm jeder, der ihn singen hört: Er hat seinen Mangel zum Markenzeichen gemacht, was unter Popstars nicht so ungewöhnlich ist. Ein Krankenpfleger habe ihm nach jenem Unfall 1962 eine Gitarre in die Hand gedrückt, damit er wieder lerne, seine Bewegungen zu koordinieren, so geht die Legende, und danach hat er wie ein Verrückter auf einer Madrider Dachterrasse Gitarre gespielt und dazu selbst erdachte Melodien geträllert. Den Traum einer Torhüterkarriere bei Real Madrid gab er auf und auch den einer Anwaltskarriere. Den Autounfall, sagt sein Biograf Laguna, hat es gegeben, aber Iglesias habe nur ein paar Schrammen davongetragen, und Gitarre spielte er schon vorher. Der Rest ist wahr: Iglesias wurde weder Fußballer noch Anwalt, sondern Weltstar.

Bei einem nationalen Festival 1968 in Benidorm landete er auf Platz 1 und beim Eurovisions-Wettbewerb 1970 in Amsterdam (gemeinsam mit zwei anderen, hinter der drittplatzierten Katja Ebstein) auf Platz 4. Dann startete er durch. Sein Erfolg war und ist ein planetarischer: Man kennt und hört ihn in China, Usbekistan und in den USA. Er singt in einer Liga mit Michael Jackson oder Elton John, zwischen 300 und 350 Millionen Platten hat er verkauft. Man nennt ihn manchmal auch einen Künstler, was gar nicht so falsch ist. 2015 sagte er in einem Gespräch mit dem spanischen Popmusikkritiker Diego A. Manrique den klugen Satz: „Die Kunst zu gefallen hat keine Logik.“

Zum Gesamtkunstwerk gehört das legendäre Liebesleben

Manche wollen dieser Logik trotzdem auf die Spur kommen: Was begründet den Erfolg von Julio Iglesias? Der Kritiker Manrique nennt Iglesias’ Stil eine „süchtig machende Melasse“. Melasse, klärt der Duden auf, ist der bei der Zuckergewinnung anfallende, zähflüssige braune Rückstand.

Zum Gesamtkunstwerk Iglesias gehören die rechte Hand auf dem Herzen, während die linke das Mikrofon hält, die geschlossenen Augen, das spitzbübische Lächeln, seine immergute Laune, die tiefbraun gebrannte Haut, das legendäre Liebesleben.

Die Kunst zu gefallen kennt keine Logik

Mit seiner ersten Frau, die Philippinerin Isabel Preysler, hatte er drei Kinder, von denen eines, Enrique, wie der Vater zum Weltstar wurde. Während seiner Ehe mit Preysler zeugte Iglesias mutmaßlich noch ein viertes Kind, das er bis heute nicht als seines anerkennen will, und die Gesetze der Welt sind so, dass kaum ein Mann, bei noch so guten Indizien, zum Vaterschaftstest gezwungen werden kann.

Später heiratete Iglesias ein zweites Mal, eine Holländerin namens Miranda Rijnsburger, die es mit seiner Untreue nicht so genau nahm und die ihm fünf weitere Kinder gebar. Julio und Miranda verkünden der Welt gerne ihre gegenseitige und dauerhafte Liebe, die wir ihnen gerne glauben wollen. Die Kunst zu gefallen kennt keine Logik, in der Liebe so wenig wie in der Musik. Julio Iglesias ist 80 Jahre alt, und es geht ihm de puta madre. Herzlichen Glückwunsch.