Ob in Gesellschaft oder Politik: Thomas Schreckenberger beklagt großen Mangel an Hirn.

Leonberg - Der erste große Applaus des Abends erklingt, da ist der Künstler noch gar nicht auf der Bühne. „Wir haben lange mit uns gerungen, aber entschieden, dass der Auftritt stattfindet.“ Herbert Rettich, der Vorsitzende des Arbeitskreises Höfingen in der Leonberger SPD, lädt alljährlich im März Kabarettisten ein. Waren es anfangs Nachwuchskünstler, so sind häufig komödiantische Schwergewichte daraus geworden. Wie Thomas Schreckenberger, der zum dritten Mal in die Aula der Grundschule Höfingen kommt. Der Mittfünfziger gehört mittlerweile zur ersten Liga der deutschen Kabarettszene und kommt aus alter Verbundenheit immer wieder nach Leonberg.

 

Schreckenberger hat sein neues Programm „Hirn für alle“ im Gepäck. Dass der Titel appellativen Charakter hat, macht der Meister des Worts in der trotz Corona-Aufregung gut gefüllten Aula gleich klar. „Ist der Magen leer, dann knurrt er“, erklärt er seinem Publikum, das aus „kulturinteressierten Menschen mit Ehemännern“ besteht“ Und vollendet den Anfangs-Gag: „Sind wir froh, dass dies beim Hirn nicht der Fall ist.“

Die Grünen und das Hollywood-Flair

Einige Zuschauer brauchen eine Weile, um bei den virtuos gestrickten Pointenkombinationen mitzukommen. Mit einem aberwitzigen Tempo eilt Thomas Schreckenberger durch Politik und Gesellschaft und findet jede Menge Nachholbedarf an Hirn: „Die Groko ist wie eine Bergtour, bei der ein Legastheniker die Strecke ausgearbeitet hat, ein Blinder führt und ein Einarmiger den Weg sichert.“

Darüber können die Sozialdemokraten im Publikum noch lachen. Doch dann kommt der Kabarettist zur Vorsitzenden-Frage: „Bei den Grünen verbreiten Baerbock und Habeck Hollywood-Flair. Das wollen wir auch, haben sich die Genossen gesagt. Aber bei der SPD erinnert mich das weniger an Hollywood, sondern mehr an Bauer sucht Frau.“ Ist ja auch klar: Das   Kandidatenduo Ralf Stegner/Gesine Schwan vergleicht Schreckenberger mit Loriot und Evelyn Hamann. Für Olaf Scholz hat er das Attribut „Die toten Augen von Hamburg“ parat. Und Saskia Esken hat für ihn starke Züge des strengen Fräulein Rottenmeiers aus Heidi.

Die Union bekommt natürlich auch ihr Fett ab: „Die Abkürzung AKK ist eine Mischung aus Krankenkasse und Schnellfeuergewehr.“ Sollte Friedrich Merz zum neuen CDU-Chef gewählt werden, „dann stellt sich die Frage: Was kommt als nächstes? Öffnet sich in Oggersheim ein Grab?“ Und Verkehrsminister Andreas Scheuer ist für Schreckenberger „CSU-Sondermüll in Berlin“, der die 560 Millionen Euro aus dem Maut-Desaster als Klomann in einer Autobahnraststätte wieder reinholen muss.

Storch und Weidel bekommen ihr Fett weg

Nicht minder hart das kabarettistische Urteil über die AfD: „Beatrix von Storch? Dass kommt heraus, wenn der Adel zu oft untereinander heiratet. Und zur angeblichen verbal-inhaltlichen Mäßigung von Alice Weidel: „Das wäre so, als würde man Günther Oettinger zum Chef eines Fremdspracheninstituts ernennen.“

Schonungslos ist der Blick des ehemaligen Lehrers auf den Schulalltag: Der Drittklässler wird beim Rauchen erwischt. Ich bin doch schon 16, wehrt er sich. Stimmt übrigens. Andere Szene: Wer hat Faust geschrieben? – Keine Ahnung. – Schau doch einfach auf den Titel. – Ah, Reclam: Krasser Typ, der hat ganz viele dieser kleinen gelben Bücher geschrieben.

Regelrecht brillant ist Schreckenbergers Faust-Interpretation: Gott schaut sich im Internet um, das Mephisto erfunden hat. Gott ist entsetzt und wirft Mephisto vor, am Chaos in der Menschheit schuld zu sein. Doch der bleibt gelassen: „Ich begnüge mich mit gaffen, das Chaos kann der Mensch selber machen.“

Wie das Chaos aussieht, beschreibt der    im Schwarzwald lebende Künstler anschaulich: Kindergeburtstage müssen Events sein, am besten mit Tiefseetauchen oder Mount Everest-Besteigung. Nur die Reise nach Jerusalem, die wollen viele Eltern wegen der Sicherheitslage dann doch nicht. Der typische Nerd sitzt den ganzen Tag im Zimmer. Wenn er abends rauskommt, ist er baff, dass draußen alles „voll 3d“ ist, bevor er zu Staub verfällt. Aber man muss ja nicht mehr raus. Mittlerweile gibt es die „Is it dark outside?“-App. Früher hat man den Vorhang weggezogen und nachgeschaut.

Harte Witze

Aber früher hat man auch Bier selbst aus dem Kühlschrank geholt. Nun verlangt die vollautonome Küche drei Laufrunden, dann gibt’s ein alkoholfreies Bier. Immerhin: Die digitale Transformation schafft Arbeitsplätze. Etwa für 40 000 Kinder im Kongo beim Lithium-Abbau.

Schreckenbergers Witze sind hart. Da ist das Finale, bei dem sich Klaus Kinski der Kanzlerin bemächtigt und via Angela Merkel zu AKK sagt: „Annegret, ich bin so wild auf deinen Kugelhopf“ ein genialer, weil urkomischer Schlusspunkt. Die Aula tobt. Zweifelsfrei: Die SPD setzt mit ihren Höfinger Kabarettabenden Glanzpunkte im Leonberger Kulturbetrieb.