Das Strafrecht und das Staatsbürgerrecht verbieten simple Lösungen für gewaltbereite Gotteskrieger. Aber es würde helfen, das geltende Recht konsequent anzuwenden, analysiert StZ-Redakteur Stefan Geiger.

Stuttgart - Wenn man nur mehr über die Täter wüsste, gäbe es kein Problem. Dann hätten die Dschihadisten, also die zur Gewalt bereiten Islamisten, in Deutschland kaum eine Chance. Dann bräuchte niemand nach noch schärferen Gesetzen zu rufen. Gesetze gibt es bereits im Überfluss. Weil die Sicherheitsbehörden den Menschen aber nicht in die Köpfe schauen können, ist die Angst so groß vor den islamistischen Fanatikern, die nach Syrien und in den Irak ziehen, um dort ihren heiligen Krieg zu führen. Und noch viel größer ist die Angst vor jenen, die – an den Waffen ausgebildet und weiter fanatisiert – von dort nach Deutschland zurückkehren.

 

Deshalb will jetzt Wolfgang Bosbach von der CDU die Gesetze weiter verschärfen und die Ausweisung sowie die Abschiebung von Ausländern erneut erleichtern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière lässt stattdessen prüfen, ob man Deutschen, die in Terrorgruppen gekämpft haben, die Einreise nach Deutschland erschweren kann. Guido Steinberg, ein Terror-Experte, will die Bewegungsfreiheit von „Gefährdern“ einschränken. Volker Beck von den Grünen verlangt, Reispässe zu entziehen und einen Sperrvermerk auf dem Personalausweis anzubringen.

Dabei würde es schon genügen, die geltenden Gesetze anzuwenden – wenn sie denn in der Praxis anwendbar wären. Das schärfste Schwert eines Staates ist sein Strafrecht. Im Bereich des Terrorismus ist die Strafbarkeit bereits mehrfach ausgeweitet und weit ins Vorfeld jeder realen Gewalttat vorverlagert worden. Strafbar ist nicht nur das Morden, auch das Morden von Islamisten im Irak oder in Syrien, wenn die Tat von einem Deutschen oder einem bisher in Deutschland lebenden Ausländer begangen wurde. Stuft man die Taten des „Islamischen Staates“ (IS, früher: Isis) im Irak und in Syrien als Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein – was nahe liegt – braucht es für eine Strafverfolgung in Deutschland überhaupt keinen Bezug der Täter zur Bundesrepublik.

Das Strafrecht bietet viele Möglichkeiten

Das Morden muss dafür noch nicht begonnen haben. Strafbar ist bereits die Teilnahme an der Ausbildung in einem ausländischen Terrorcamp. Bestraft wird auch, wer sich eine Waffe für einen Einsatz etwa im Irak beschafft, wer Material für eine Bombe kauft, wer Geld auch für ausländische Terroristen sammelt. Die Höchststrafe dafür: zehn Jahre Haft.

Doch die Strafbarkeit reicht noch weiter. Verurteilt werden kann bereits, wer zu einer Terrororganisation wie IS nur Verbindung aufnimmt. Das Strafmaß reicht hier bis zu drei Jahren Haft. Fast alle, die in den Irak oder nach Syrien gehen, um dort als Kämpfer aktiv zu werden, haben bereits vor ihrer Ausreise Kontakt zu dieser Terrororganisation aufgenommen. Es stellt sich dann an der deutschen Grenze zuerst gar nicht die Frage, ob man diesen Menschen ausreisen lassen muss, sondern ob man ihn festnehmen und später in Untersuchungshaft bringen kann wegen des dringenden Verdachts einer Straftat. Nur Beweise müsste man haben.

Dies alles gilt umso mehr, wenn ein Täter wieder nach Deutschland einreisen will. Es würde schon genügen, wenn man ihm wenigstens jetzt die Kontaktaufnahme vor der Ausreise nachweisen könnte, falls es zu mehr nicht reicht. Nur der Vollständigkeit halber: Strafbar ist in Deutschland auch das Anwerben von Menschen für eine militärähnliche Einrichtung einer ausländischen Macht sowie die Bildung bewaffneter Gruppen unterhalb der Terrorismusebene.

Die Ermittlungsbehörden könnten mehr wissen

Dass dennoch im Bereich des Strafrechts so wenig geschieht, belegt, wie groß die Schwierigkeiten sind, die Taten nachzuweisen. Dabei sind einige Methoden der Anwerbung bekannt. Das – längst intensiv überwachte – Internet spielt eine große Rolle. Andererseits haben Familienangehörige von abgetauchten IS-Kämpfern berichtet, wie Männer in den deutschen Wohnquartieren aufgetaucht sind und auf ihre Kinder Einfluss genommen haben. Man hätte hoffen können, dass davon auch die Sicherheitsbehörden erfahren. In einem Spannungsverhältnis zur Unwissenheit der Ermittler stehen die präzisen Angaben des Verfassungsschutzes, bisher seien rund 400 Dschihadisten nach Syrien ausgereist, 100 seien zurückgekehrt und 25 hätten „Kampferfahrung“. Wer Islamisten mit „Kampferfahrung“ kennt, der sollte dafür sorgen, dass sie vor Gericht kommen.

Was Politiker jetzt fordern, bewegt sich alles außer- und unterhalb des Bereichs des Strafrechts. Richtig ist, dass die Anforderungen an einen Tatnachweis im Strafrecht hoch sind. Richtig ist aber auch, dass in einem Rechtsstaat beim Ausländerrecht oder gar bei Grundrechten bestimmte Standards einzuhalten sind. Es genügt eben nicht, einen vagen Verdacht zu haben, man muss – im Zweifelsfall vor Gericht – schon habhafte Belege dafür vorlegen können, dass ein Mensch ein „Gefährder“ ist.

Dabei muss man sich selbst darüber klar werden, ob man verhindern will, dass Deutsche im Ausland terroristische Verbrechen begehen, oder nur, dass Rückkehrer Anschläge in Deutschland vorbereiten. Beides erfordert gegensätzliche Strategien; einmal muss man die Ausreise, im anderen Fall die Wiedereinreise verhindern. Das Recht ist dabei für Deutsche und Ausländer höchst unterschiedlich.

Nachweislich gewaltbereiten Nicht- EU-Bürgern kann relativ einfach eine Ausweisungs- oder Abschiebeverfügung zugestellt werden. Das hilft aber nicht viel, weil die Probleme in der Praxis stecken. Vor der Durchsetzung dieser Verfügungen stehen viele Hindernisse – oft vertraglich vereinbart oder schlicht aus Gründen der Menschlichkeit. Am Ende muss sich ein Staat finden, der zur Aufnahme bereit ist. Und jenseits des Rechts muss die Frage erlaubt sein, ob es moralisch vertretbar sein kann, einen potenziell hochgefährlichen Täter dorthin zu schicken, wo er morden wird. Wenn es nur darum geht, Deutschland zu schützen, mag es angehen.

Deutschen, gegen die strafrechtlich nichts vorliegt, haben das verbürgte Recht, gehen zu können, wohin sie wollen. Man sollte daran nichts ändern. Wir waren einst stolz darauf, dies anders zu handhaben als ein anderer deutscher Staat. Noch weniger aber kann man Deutsche daran hindern, in ihre Heimat zurückzukehren. Eigene Staatsbürger gar für staatenlos zu erklären, war bisher Unrechtsstaaten vorbehalten. Abgesehen davon: Solche Maßnahmen würden gewaltgeneigte Menschen gerade erneut in die Arme von Terroristen treiben.

Was bleibt, ist die konsequente Anwendung des Rechts, gerade auch des Strafrechts – und eine Intensivierung der Aufklärungsarbeit. Einfache Lösungen gibt es nicht. Sie zu propagieren ist Populismus