Kaya Yanar hat die Welt bereist und festgestellt: Am liebsten lachen die Menschen über die Eigenheiten ihrer Nachbarländer

Stuttgart – - Multikulti-Kabarett, Integrations-Comedy, Ethno-Klamauk – Kaya Yanars Kleinkunst hat viele Namen. In seinen Rollen wie der des Computer-Inders Ranjid, des Türstehers Hakan oder des Italieners Francesco spießt er gängige Ausländerklischees auf. In seinem neuen Bühnenprogramm „Around the World“ tischt er seine schrägsten Abenteuer als Weltenbummler auf.
Herr Yanar, Ihre Redewendung „Was guckst du?!“ ist inzwischen in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen. Bestimmt eine tolle Auszeichnung für Sie, oder?
Auf jeden Fall! Ich verbinde diesen Spruch mit einer guten Zeit und einer lustigen Comedy. Der amerikanische Komiker Seinfeld sagt, es gibt drei Level des Ruhms. Erstens: man erzählt deine Witze und bringt damit Freunde zum Lachen. Zweitens: man erzählt deine Witze und bringt damit Fremde zum Lachen. Und drittens: Fremde übernehmen deinen Sprachgebrauch. Ich habe also die höchste Stufe erreicht, das ist doch großartig!
Was schätzen die Zuschauer an Ihnen?
Die Leute kommen aus verschiedenen Gründen in die Shows: wegen meiner Person, weil sie gerne Multikulti-Comedy mögen oder weil sie den Spiegel vorgehalten bekommen wollen, wenn ich die deutsche Kultur aufs Korn nehme.
Soll man etwas fürs Leben mitnehmen?
Die Leute sollen mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Ich bin ein selbstironischer Typ und mache Scherze über mein Alter, über meine Beziehungsunfähigkeit, meine Tollpatschigkeit. Die Leute freuen sich darüber, dass auch ich an den normalen Dingen des Alltags scheitere. Ich wrestle schließlich mit denselben Problemen wie andere auch. Das erzeugt Nähe zwischen mir und dem Publikum. Es gibt Stars, die leben von der Distanz, das mochte ich nie. Ich mag es menschlich und greifbar.
Was macht der Kaya Yanar von heute anders als vor zehn Jahren?
Früher hätte ich alles für einen Gag gemacht, da war es mir nicht so wichtig, wie das zu meinem Charakter oder der Art der Show passt. Wenn man ein bisschen reifer wird, merkt man, dass es nicht nur der nächste Gag ist, der zählt, sondern das Gefühl, das man beim Zuschauer erzeugt.
Ihre neue Show heißt „Around the World“. Dafür sind Sie – wie der Name schon sagt – um die Welt gereist. Erzählen Sie uns einen Schwank aus Ihrem Reisetagebuch, bitte.
Einmal wollte ich in New York mit meiner Freundin die Insel Staten Island besuchen. Wir kamen am Fährhafen an, und das Schiff war gerade einen Meter vom Dock entfernt. Ich dachte: „Oh nein, jetzt müssen wir eine halbe Stunde auf die nächste Fähre warten.“ Dann sagte ich zu meiner Freundin: „Komm, wir springen noch schnell da drauf, ist nur ein Meter!“ Meine Freundin meinte, ich sei wahnsinnig. Ich bin trotzdem rübergesprungen, und der Matrose auf der Fähre hat große Augen gemacht. Ich sagte: „Cooler Sprung, was? Hat noch niemand gemacht, oder?“ Der Typ sagte: „Nein, aber wir legen ja auch gerade an.“ Das sind so Situationen, in denen ich wie ein Vollidiot dastehe, das passiert mir im Ausland ständig.
Welche Nation hat den schönsten Humor?
Die Engländer haben natürlich den Humor mit der Muttermilch aufgesogen. Jeder Kiosk- oder Büdchenbesitzer hat einen lustigen Spruch auf den Lippen. Das gehört dort zum Umgangston. Diese Art des Understatements ist einfach komisch. Bei meinem Aufenthalt in London hat es oft in Strömen geregnet. Einmal stand ich bis auf die Knochen durchnässt an der Bushaltestelle, und ein Mann sagte zu mir: „Ist nicht allzu trockenes Wetter, nicht wahr?!“ Dieses Ironisch-Untertriebene, das ist die typisch britische Art, mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen. Das gefällt mir!
Was schätzen Sie am deutschen Humor?
Die Deutschen lachen sehr gern über sich selbst! Sie wollen auf den Arm genommen werden und sind daran interessiert, was das Ausland über sie denkt.
Und was denkt das Ausland über uns?
Der ausländische Blickwinkel war in den vergangenen Jahren leider etwas einseitig. Er driftet schnell in alte Klischees vom hässlichen Deutschen ab. Ich versuche, deutsche Eigenheiten wie Pünktlichkeit und Fleiß nicht ständig mit der dunklen Vergangenheit in Verbindung zu bringen. In den USA packen Komiker immer wieder die Nazikeule aus. Das ist langweilig.
Gibt es einen universellen Humor?
Klar: Slapstick, Grimassen, Missgeschicke, das findet fast jeder lustig. In China war das schön zu beobachten: Unbeholfenheit, Ratlosigkeit, Trotteligkeit – darüber können die sich dort richtig beömmeln.
Warum lachen wir so gern über unsere Nachbarländer?
Vermutlich, weil fast jeder schon mal dort war und glaubt, die Kultur zu kennen. Trotzdem ist uns vieles fremd. Holländisch ist für mich zum Beispiel die lustigste Sprache, Deutsch auf Lustig sozusagen. Auf deren Zigarettenpackungen steht „Roken is dodelijk“ , das klingt niedlich und lustig, obwohl es eine todernste Angelegenheit ist. Oder nehmen wir die Schweiz mit ihrem Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde. Darüber lacht jeder Deutsche, weil das hier gerade mal für den Rückwärtsgang reicht. Wenn man es sich genau überlegt, liegt das daran, weil die Schweiz einfach verdammt klein ist, und wenn man nicht aufpasst, fährt man einfach durch. Durch das Tempolimit sieht man wenigstens noch ein bisschen was vom Land.
Apropos: Ihre Freundin ist Schweizerin. Welche Mentalitätsunterschiede bemerken Sie?
Zum Beispiel gibt es Unterschiede im Umgangston. Die Schweizer sind ein leises Volk. Wenn Sie reden, üben sie sich in Zurückhaltung. Insgesamt ist der Schweizer eher layed-back. Die Deutschen sind tendenziell laut, der Umgangston ist oft rau, der Schweizer empfindet das mitunter als harsch. Auf den Autobahnen sind die Deutschen ungeduldig, in der Schweiz wird nicht gedrängelt, rasen heißt dort: 125 Kilometer pro Stunde.
Dann können Sie zur Völkerverständigung beitragen – sowohl im Privaten als auch bei Ihrem Publikum.
Ich tu, was ich kann!