Regierungschefs und Tech-Bosse tauschen sich im britischen Geheimdienstzentrum aus und warnen vor „katastrophalen Risiken“.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

In einer ersten gemeinsamen Erklärung zu den Gefahren künstlicher Intelligenz haben diese Woche Staaten aus aller Welt vor den „potenziell katastrophalen“ Risiken gewarnt, die die Entwicklung der betreffenden Technologie mit sich bringen könnte. Auf einem zweitägigen Gipfel im alten britischen Geheimdienstzentrum Bletchley Park verpflichteten sich die USA, die EU, Großbritannien, China und eine Reihe anderer Nationen zu internationalem Austausch und zur Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.

 

In der Erklärung wird auf die „ganz erheblichen Risiken“ verwiesen, die sich nach Ansicht der Unterzeichner mit künstlicher Intelligenz (KI) verbinden und die globale Koordination erfordern. Die Gipfel-Teilnehmer vereinbarten, ein „international inklusives Netz an wissenschaftlicher Forschung“ vor allem „im Bereich der generellen artifiziellen Intelligenz“ zu entwickeln – dem Bereich, wo sich künstliche Intelligenz im Extremfall menschlicher Kontrolle zu entziehen droht.

Elon Musk warnt vor KI

Warnungen vor einer solchen Entwicklung hatte es auf dem Gipfel hinreichend gegeben. Zahlreiche der geladenen Tech-Experten und Konzern-Bosse, darunter Elon Musk, machten keinen Hehl aus ihrer diesbezüglichen Angst. „Erstmals haben wir eine Situation, in der es etwas gibt, was weit klüger sein wird als das klügste menschliche Wesen“, sagte Musk. „Und mir ist nicht klar, ob sich so etwas wirklich kontrollieren lässt.“

Auch Gipfel-Gastgeber Rishi Sunak, der britische Premierminister, sprach die Befürchtung aus, dass die Menschheit irgendwann einmal „die Kontrolle über KI komplett verlieren könnte“. Aus diesem Grund habe er die erste globale KI-Konferenz einberufen, erklärte er. Zwar folgten nur wenige der geladenen Regierungschefs der Einladung persönlich, doch reisten unter anderem EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen und UNO-Generalsekretär António Guterres zu dem Treffen an.

Die chinesische Regierung war mit ihrem Vize-Minister für Wissenschaft und Technologie, Wu Zhaohui, vertreten. Da China eh schon ein Schwergewicht sei im KI-Bereich, könne man es kaum aus der Runde der Diskussions-Teilnehmer ausschliessen, hatte Sunak gesagt.

Am zweiten und abschließenden Tag der Konferenz, dem Donnerstag, scharte der Brite allerdings zu Gesprächen über nationale Sicherheit und neue Technologien nur noch einen kleineren Kreis von Verbündeten – im wesentlichen die G7-Staaten, Australien, Südkorea und Singapur – um sich in Bletchley Park.

Beschlossen wurde, dass die Gesprächsrunden in rascher Folge fortgesetzt werden sollen. In sechs Monaten will Südkorea den nächsten Gipfel bestreiten. Und in einem Jahr findet die Konferenz in Frankreich statt.

Ideologische Differenzen treten zutage

Deutlich wurde diese Woche aber schon, dass es in der Frage des weiteren Vorgehens für die Beteiligten nicht leicht sein wird, Übereinstimmung zu finden. Während die Unterzeichner der Deklaration sich darin einig sind, dass womöglich enorme Gefahren von KI drohen, machen ideologische Differenzen gemeinsame Lösungsansätze schwer.

So erklärte etwa Premier Sunak, dass es ihm „nicht eilt mit irgendwelcher Reglementierung“, also mit staatlichen Vorgaben für die Tech-Konzerne. Seine Regierung wolle, dass sich die Konzerne weitgehend frei und uneingeschränkt entwickeln könnten: „Wir glauben an Innovation.“

Dagegen sind in der EU Gesetze zur Überwachung der KI-Entwicklung in Vorbereitung. Und US-Präsident Joe Biden erließ am Montag dieser Woche eine Exekutiv-Anordnung, die weitgehende Kontrollen der – überwiegend amerikanischen – Tech-Konzerne in Sachen KI umfasst.

Die nach Bletchley Park entsandte US-Vizepräsidentin Kamala Harris hatte noch vor der Reise zum Konferenzort in einer separaten Rede in der US-Botschaft in London „die falsche Alternative“ verworfen, „die davon ausgeht, dass man nur entweder die Bevölkerung schützen oder Innovation fördern könne“. Das eine, sagte sie, schließe das andere keineswegs aus.

Tatsächlich haben Kritiker in London Sunak vorgeworfen, er habe sich mit „seinem“ Gipfel nur groß in Szene setzen wollen, ohne bei der Steuerung künstlicher Intelligenz wirklich einen Weg weisen zu können. Selbst die Hoffnung des Premiers, Großbritannien durch ein „weltweit führendes“ Institut für technologische Sicherheit zum globalen Mittelpunkt künftigen Umgangs mit KI machen zu können, erwies sich als illusionär, nachdem Joe Biden just die Gründung eines solchen Instituts in Washington angekündigt hat.