Kim Herkle aus Oeffingen fliegt von Frankfurt via Chicago nach Louisville. Künftig wird die Hochleistungsschwimmerin mehr als 7000 Kilometer entfernt von zu Hause leben, trainieren und Psychologie studieren.

Rems-Murr: Thomas Rennet (ren)

Oeffingen - In Heidelberg hat sich Kim Herkle schon vor einigen Tagen verabschiedet. Im Juli packte sie dort ihre Sachen zusammen, wo sie seit Herbst 2019 den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht hatte. Ein kleines Fest im Internat, eine kleine Feier am Olympiastützpunkt, die Zeugnisausgabe am Helmholtz-Gymnasium, der Abiball. „Das war alles nicht ganz einfach für mich“, sagt die 18-Jährige. Überall gute Bekannte aus der Schule und dem Sport, die sie in den vergangenen bald zwei Jahren kennen- und schätzen gelernt hatte. Und die sie nunmehr zum vorerst letzten Mal getroffen hat. Etwa Samira Blume, eine begabte Gewichtheberin, mit der Kim Herkle in all der Zeit die Unterkunft geteilt hatte. Für die Hochleistungsschwimmerin werden auch die nächsten zwei, drei Tage nicht ganz einfach. Alltag ist anders. Denn jetzt verabschiedet sie sich aus Oeffingen, vom Elternhaus, überhaupt aus Deutschland, aus Europa. Am Mittwoch fliegt Kim Herkle von Frankfurt via Chicago nach Louisville in Kentucky. Künftig wird sie mehr als 7000 Kilometer entfernt von zu Hause leben, trainieren und auch studieren.

 

Kim Herkle verstärkt das Universitätsteam der Louisville Cardinals

Vor dem Abflug, der einen Umzug auf die andere Seite des Atlantiks mit sich bringt, muss die Bundeskaderathletin genau überlegen, was sie an ihre neue Wirkungsstätte mitnehmen kann. Viel ist das nicht, zumal die Schwimmklamotten zwingend dazugehören werden. Bettdecken hat Kim Herkle wie ein paar andere Dinge als Versandgut vorausgeschickt. Sie hofft, dass die Fracht rechtzeitig eintreffen wird. Also noch vor ihrer eigenen Ankunft am Ohio River. Sie wird dort auf dem Universitätsgelände wohnen. Kim Herkle wird in den USA Psychologie studieren. Nicht zuletzt aber wird sie, mit einem Sportstipendium ausgestattet, sehr intensiv trainieren und das Universitätsschwimmteam der Louisville Cardinals verstärken. Dem Topteam steht ein Toptrainer vor: Der Brasilianer Arthur Albiero genießt internationales Renommee. „Der Reiz des Studiums, verbunden mit den tollen sportlichen Rahmenbedingungen – diese Kombination hat letztlich den Ausschlag gegeben.“ Das hat Kim Herkle schon im Vorjahr gesagt, als sie den Vertrag unterschrieb. Und das passt auch an diesem Mittwoch noch, wenn sie die Reise in ihr neues Leben antritt.

Das Abitur hat die 18-Jährige mit der Note 1,3 abgeschlossen

Zuletzt hat sich die Vielbeanspruchte ein wenig erholen können von ihrem mächtigen Frühjahrsprogramm. Die Klasseschwimmerin aus Oeffingen hat strapaziöse Monate hinter sich. Mit herausragenden Qualifikationszeiten hat sie sich im April trotz begleitendem Schulstress auf ein höheres Level befördert. Tatsächlich hat sie auch noch an den Tagen der Abiturprüfungen am Helmholtz-Gymnasium in Heidelberg ungeachtet des Schlafdefizits frühmorgens im Becken trainiert. Und nach den Abiturprüfungen sowieso. Wieder zurück im Internat, hat Kim Herkle oft bis in die Nacht hinein gelernt. Kaum später im Mai, unmittelbar nach den schriftlichen Abiturklausuren, ist sie zu den europäischen Titelkämpfen in Budapest aufgebrochen. Und die deutschen Meisterschaften in Berlin folgten fast im Anschluss daran.

Fortan schwimmt Kim Herkle unter der Anleitung von Arthur Albiero

Selbst das Organisationstalent kam angesichts der fortwährenden Belastung an seine Grenzen („Irgendwann sagt der Körper: Nee“). Kim Herkle hat aber alles auf ihre Weise bewältigt. Das Abitur hat sie mit der Note 1,3 abgeschlossen. Und sie blieb im Mai in Ungarn („Ich kann nicht mehr Brustschwimmen, ich komme einfach nicht vom Fleck“) zwar hinter ihren im April erzielten Bestmarken zurück, etwa den überaus bemerkenswerten 2:25,40 Minuten über 200 Meter Brust. Ebenso war das meist auch Anfang Juni in der Hauptstadt Deutschlands. Doch dort blieb die Disziplinierte just in ihrer Spezialdisziplin vor der gesamten Konkurrenz, und allein das war von Belang an diesem Abschlusstag in Berlin. Der nationale Titel über 200 Meter Brust (2:27,43 Minuten) am 6. Juni war ihr erster unter Frauen.

Kim Herkle ist ganz schön weit vorangekommen in ihrem Sport. Aber sie kann in Zukunft vielleicht noch schneller vorankommen im Wasser. Arthur Albiero, unter dessen Anleitung in den vergangenen Monaten auch sein Sohn Nick in die US-Spitze aufgestiegen ist, will daran bereits in ein paar Tagen mit seiner neuen Schülerin arbeiten. In Louisville im US-Bundesstaat Kentucky.