Die Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen hat kürzlich ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Geschäftsführerin Biluge Mushegera stellt fest: „Wir werden mehr denn je gebraucht.“ Denn immer mehr Kinder sind von Armut betroffen.

„Wir helfen da, wo staatliche Leistungen ausgeschöpft sind oder gar nicht ausreichen“, erklärt Biluge Musheger, die Geschäftsführerin der Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen. Sie blickt eher skeptisch in die Zukunft.„Die Inflation und die explodierenden Energiekosten werden die Kluft zwischen Armen und Reichen noch vertiefen“, sagt sie. Die Arbeit gehe nicht aus. Dennoch kann die Kinderstiftung auf erfolgreiches Arbeiten zurückblicken. In den vergangenen zehn Jahren sind 420 000 Euro an Spenden eingeworben worden, die in die verschiedenen Projekte der Stiftung geflossen sind.

 

Ausflüge und Nachhilfe

Im Jahr 2012 haben sich die Caritas Fils-Neckar-Alb und das Dekanat Esslingen-Nürtingen zusammen gesetzt. „Wir haben erkannt, dass auch im reichen Landkreis Esslingen doch viele Kinder von Armut betroffen sind, und dass sie aus etlichen Bereichen des Lebens ausgeschlossen sind“, erinnert sich Lisa Kappes-Sassano, die Regionalleiterin der Caritas. „Wir wollten ein Instrument schaffen, das für Chancengleichheit sorgen und der Spaltung in Arm und Reich etwas entgegensetzen kann.“

Drei Säulen tragen die Arbeit der Kinderstiftung. Das Projekt Chancenschenker will die Teilhabe von Kindern fördern – am Sport, an musikalischer Ausbildung, am kulturellen Leben im Allgemeinen. Dazu gehören auch Ausflüge nach Beuren ins Freilichtmuseum, Besuche in der Stadtbibliothek, auf Spielplätzen und in Freizeitparks. Hinzu kommt das Angebot von Nachhilfe in verschiedenen Fächern. „Der Bildungserfolg hängt nach wie vor stark vom Geldbeutel der Eltern ab“, sagt Kappes-Sassano. Die Chancenschenker sind rund 260 Studentinnen und Studenten, Männer und Frauen im Ruhestand, junge Mütter und andere Ehrenamtliche, die Kinder unter ihre Fittichen nehmen. Eine zweite Säule ist die Einzelfallhilfe, die die Kinderstiftung gewährt, wenn ein Zuschuss zum Sportunterricht, zur Musikschule oder anderswo notwendig wird. „Talente sollen gefördert werden und nicht auf der Strecke bleiben, nur weil das Geld zum Training nicht ausreicht“, sagt Biluge Mushegera.

Die dritte Säule ist die direkte Teilhabe am Entscheidungsprozess. Nach eigenen Angaben hat die Stiftung als erste Organisation im Landkreis einen Kinderbeirat gegründet. Ein Dutzend Kinder hat pro Jahr etwa 2000 Euro zur Verfügung, die es an Projekte mit Kindern verteilen kann. Die einzelnen Anträge werden ausführlich besprochen und beraten. „Helfen die beantragten Sportgeräte, Spielangebote, Theater und anderes den Kindern wirklich und auch nachhaltig?“, diese Fragen diskutieren die Kinder untereinander und vergeben dann Zuschüsse oder lehnen sie ab.

280 Kinder leben in Notunterkünften

Die Kinderbeirat war auch bei der Festveranstaltung in der vergangenen Woche aktiv: Die Kinder richteten ihre Fragen direkt an die Entscheidungsträger im Landkreis. Von Katharina Kiewel, der Dezernatsleiterin Soziales im Landkreis, wollten sie wissen, wie viele Kinder im Landkreis Esslingen von Armut betroffen sind, und erfuhren: Im Landkreis mit seinen knapp mehr als 500 000 Einwohnern leben 91 000 Menschen in Haushalten, deren Einkommen um mehr als 60 Prozent unter dem Durchschnittseinkommen liegt. 6000 Kinder beziehen Leistungen vom Jobcenter, 280 Kinder unter 18 Jahren leben in Notunterkünften und 4100 Familien erhalten Leistungen zu Bildung und Teilhabe.

„Wie sollen Familien mit niedrigem Einkommen die hohen Miet- und Energiekosten stemmen?“, fragten sie Andrea Lindlohr, die grüne Landtagsabgeordnete. Lindlohr stellte die finanzielle Unterstützung durch soziale Mieten als Hilfe vor sowie die Förderung des Zusammenlebens unterschiedlicher Einkommensschichten. Das Land wolle das Mitspracherecht von Kindern fördern und Bedürfnisse von Kindern besonders in den Fokus nehmen.