Ende Januar verkündete die Letzte Generation, ihre Strategie zu ändern. Wie die erste ihrer neuen Aktionen am Stuttgarter Flughafen ablief – bei der sie aufs Dach eines Schalters kletterten.

Volontäre: Chiara Sterk (chi)

Am Samstagmittag haben Mitglieder der Letzten Generation und Unterstützer weiterer Bewegungen in der Abflughalle 3 des Stuttgarter Flughafens protestiert. Punkt 12 Uhr begannen die Aktivisten an mehreren Plätzen im Terminal und eine Etage darüber durcheinander zu rufen, auch ein Chor sang. Vom Geländer der vierten Etage wurden Transparente ausgerollt, Plakate und Schilder wurden hoch gehalten. Andere setzten sich auf Picknickdecken zusammen und vesperten, Clowns gingen umher und tauschten symbolisch Billigflugtickets gegen Deutschlandtickets.

 

Thaddäus Moffor, Sprecher der Letzten Generation Stuttgart, wirkte anfangs mit Koffer in der Hand und Nackenkissen um den Hals wie ein normaler Reisender. Ein Flashmob schien auch die Taktik zu sein, denn wie er entpuppten sich viele der augenscheinlich Reisenden gegen 12 Uhr als Demonstrantinnen und Demonstranten. Die Aktion ist die erste ihrer „ungehorsamen Versammlungen“, seit die Bewegung ihre Strategie geändert hat und aufs Ankleben auf Straßen fürs Klima verzichtet. Neben Stuttgart wurde bundesweit in neun weiteren Städten demonstriert – darunter in Baden-Württemberg in Karlsruhe und in Freiburg.

Kritik richtet sich in Stuttgart gegen Kurzstreckenflüge und Privatjets

Auf den Plakaten standen Sätze wie „Id schätza – Macha! Klimaschutz“, „Fliegende Teppiche sind realistischer als klimaneutrale Flüge am STR“ und „Kurzstreckenflüge nur für Insekten.“ In Reden am Megafon wurde über die Umweltschäden durch den Flugverkehr aufgeklärt. Mehrmals erklang aus allen Richtungen durch die Halle Gesang: „Die Jets der Reichen, die müssen weichen, Kurzstreckenflüge sind nicht klug, nehm den Zug, Zug, Zug”.

Ein Redner bezeichnete Fliegen als egoistisch, eine andere Rednerin kritisierte private Kurzstreckenflüge, wie es sie auch zwischen Stuttgart und Frankfurt oder München gebe. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart, denen der Flughafen gehört, würden ignorieren, welchen Schaden der Flughafen im Blick auf den Klimawandel und die globale Erwärmung verursache.

Moffor: Flughafen als „Ort der Zerstörung“

Neben der nicht angemeldeten Aktion der Letzten Generation hatte zudem die Tübingerin Angelika Busse eine Mahnwache angemeldet, der sich mehrere Bewegungen anschlossen – darunter Parents for Future Tübingen und Nato Defender aus Ulm. Angelika Busse und ihre Mitstreiterinnen verkleideten sich dazu als Schnecken. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass sich die Klimapolitik schneller an den Klimawandel anpassen muss“, sagte Busse. Der Flughafen sei ein Ort, an dem man sehe, wie unangemessen die Klimapolitik sei – weil so etwas wie Privatjets erlaubt und die Flüge so billig seien.

Wie die Gruppe Ende Januar bereits angekündigt hatte, soll Schluss sein mit dem Festkleben auf der Straße. Stattdessen wolle sie „ungehorsame Versammlungen“ an „Orten der Zerstörung“ durchführen. Daher habe man sich für die Aktion für den Flughafen entschieden, erklärt Moffor, weil der Flugverkehr einen großen Teil zur globalen Erwärmung beitrage. Und sagt, Ziel der neuen Strategie sei es, anschlussfähiger zu sein, die Menschen mitzunehmen.

Ihre Forderungen: „Auf Bundesebene wollen wir, dass die Politik endlich die Wahrheit ausspricht und anerkennt, dass die Lage ernst ist“, sagt Moffor. Und meint damit auch, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die von ihnen dazu verfasste Erklärung unterzeichnet. „Auf lokaler Ebene wollen wir die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg dazu bringen, den Flugverkehr zu reduzieren, indem Kurzstrecken- und Privatjetflüge verboten werden und Kerosin besteuert wird.“

Reisende teils verärgert, andere sympathisieren mit der Letzten Generation

Währenddessen lief der Betrieb am Flughafen weiter wie zuvor. Manche Reisende blieben stehen, hörten den Protesten zu, unterhielten sich mit den Unterstützern, andere gingen kopfschüttelnd weiter. Ein Reisender ärgerte sich über die Bewegung, findet, man solle doch dort protestieren, wo noch mehr Emissionen ausgestoßen werden als hierzulande. Eine andere Reisende wurde durch die Aktion verunsichert, fragte sich, ob sie wohl normal werde fliegen können. Dennoch sei ihr diese Form des Protests mit den gesungenen Liedern lieber als würden sie sich auf der Straße festkleben, sagt sie.

Eine Familie war hingegen ganz begeistert, hatte sich bei der Mahnwache informiert und betonte, dass sie mit der Bewegung und ihren Inhalten sympathisiere. Der Vater fügte hinzu, dass sie ein schlechtes Gewissen plage, weil sie nun in den Urlaub fliegen. Und auch ein Mitarbeiter des Flughafens fand die Aktion der Letzten Generation gut. Man spreche immer übers Klima, nur wolle niemand zurückstecken, sagte er. Er sehe, wie viel jeden Tag geflogen werde.

Polizei spricht von einem friedlichen Verlauf

Nach Angaben einer Polizeisprecherin waren in der Spitze insgesamt 150 Personen an der Aktion beteiligt, 100 davon werden der Letzten Generation zugeordnet. Der Ablauf am Flughafen wurde durch die Aktion der Demonstrierenden nicht gestört. Die Polizei resümierte, dass die Aktion alles in allem friedlich verlaufen sei. Zwischenzeitig habe es „zwei spannende Situationen“ gegeben, sagte die Sprecherin und meinte damit, dass Demonstrierende aufs Dach in der vierten Etage und auf die Schalter der Gepäckabfertigung in der dritten Etage geklettert sind. Für Letzteres sprach die Polizei den Beteiligten einen Platzverweis aus, wie Sprecher Moffor erzählte. Was die nicht angemeldete Aktion der Letzten Generation angeht, prüfe die Polizei außerdem, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Die nächste Aktion der Letzten Generation in Stuttgart soll am 18. Mai stattfinden.