Am ersten Wochenende strömten bereits viele Besucher in die Körperwelten-Ausstellung in den Königsbau-Passagen. Kritik an der Ausstellung können sie alle nicht verstehen.

Melanie Dörr zückt ihr Smartphone, zoomt auf das Exponat und drückt ab. Nachdenklich schlendert die 57-jährige Stuttgarterin am Samstagmittag durch die Körperwelten-Ausstellung in den Königsbau-Passagen in der Innenstadt: „Es ist die Faszination für den menschlichen Körper, die mich hierhergebracht hat. Man kennt den eigenen Körper nur von außen. Hier sieht man ihn von innen, so lernt man ihn von einer ganz neuen Seite kennen“, sagt sie.

 

Zu sehen sind gespendete menschliche Exponate

Zu sehen sind in der Ausstellung „Am Puls der Zeit“ echte menschliche Exponate, die aus dem Körperspende-Programm des Instituts für Plastination in Heidelberg stammen. Sie sollen Zusammenhänge und Funktionsweisen des menschlichen Körpers erklären. Und so sehen die Besucher mal ein Exponat hoch zu Ross, mal beim Skispringen oder beim Turnen. „Da sieht man ganz genau, wie die Muskelgruppen bei diesen Tätigkeiten beansprucht werden“, so Melanie Dörr. Und auch Walid Iqnaibi aus Nürnberg findet die Ausstellung am Samstag vor allem lehrreich: „Die Ausstellung zeigt, wie der menschliche Körper funktioniert. Sie hilft den Menschen zu verstehen, welche Konsequenzen manche Taten auf den Körper haben“, so der 29-jährige Mediziner. Und weiter: „Wir Medizinier können viel in komplizierten Worten erklären und erzählen, aber hier sieht man das einfach auf einen Blick.“

Auch einzelne Organe zu sehen wie eine Raucherlunge

Neben den Plastinaten warten in den Vitrinen auch einzelne Organe wie eine Lunge oder ein Herz auf die Besucher. Hierbei stellt die Ausstellung beispielsweise eine gesunde Lunge der eines Rauchers gegenüber. „Man kann Patienten lange sagen, dass sie nicht rauchen sollen und welche Konsequenzen es hat, hier sehen sie es. Das ist beeindruckender als Worte“, so Mediziner Walid Iqnaibi. Dass er damit richtig liegt, bestätigt Katja Spanke aus Gießen: „Ich bin Raucherin und dachte mir beim Anschauen der Lunge wirklich ‚oh verdammt‘. Das ist einfach so lebensnah.“ Dieser Meinung ist auch Melanie Dörr nach dem Betrachten der grauschwarzen Raucherlunge, die neben einem rosigen, gesunden Exemplar in einer Vitrine liegt: „Ich habe selbst lange geraucht, habe aber vor zwei Jahre aufgehört, wenn ich sehe, was das anrichtet, bin ich sehr stolz. Diese Ausstellung hat einen großen Lerneffekt für mich“, so die Stuttgarterin, die selbst nie daran gedacht hätte, ihren Körper nach ihrem Tod der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, zumindest bis zu ihrem Körperwelten-Besuch. „Vor dem Besuch hätte ich das nie gemacht, aber nun sehe ich das anders. Die Ausstellung hat meine ganze Einstellung verändert. Die Gedanken und die Liebe bleiben nach dem Tod für immer. Der Körper ist davon losgelöst“, beschreibt sie.

Besucher sehen Wertschätzung des Lebens in der Schau

Kritik an der Ausstellung kann sie nicht verstehen. Auch Besucherin Katja Spanke nimmt nur Positives aus der Ausstellung mit: „Entwürdigend finde ich die Ausstellung gar nicht. Die Menschen haben ihre Körper ja für die Ausstellung zur Verfügung gestellt“. Die Kritik an der Körperwelten-Ausstellung kam im Vorfeld vor allem vonseiten der Kirche beziehungsweise vom katholischen Stadtdekan Christian Hermes. „Nicht alle in der Kirche stehen der Ausstellung kritisch gegenüber“, bemerkt Körperwelten-Pressesprecher Oliver Diaz und verweist auf einen Gottesdienst im Jahr 2018 in der Osnabrücker St. Marienkirche, bei dem vor dem Altar ein Plastinat der Körperwelten-Ausstellung stand.

Nicole aus Schorndorf, die selbst katholisch ist, kann die Körperwelten-Kritik nicht nachvollziehen, im Gegenteil: „Für mich geht es in der Ausstellung um die Wertschätzung des Lebens. Außerdem haben die Menschen hier ihre Körper freiwillig gespendet, und den freien Willen finde ich sehr wichtig.“ Auch gruselig oder abschreckend findet die Mutter die Ausstellung keinesfalls: „Es ist weniger gruselig als gedacht. Für mich sehen viele Exponate aus, als seien sie aus Kunststoff“, beschreibt sie ihre Erfahrung. Auch ihre achtjährige Tochter teilt diese Meinung, sie habe in der Ausstellung nur Spannendes gefunden, sagt das Mädchen, das froh ist, die Körperwelten am Samstag besucht zu haben.