Wer noch nie auf Lego getreten ist, werfe bitte den ersten Stein – auf den Boden. Unser Autor über die Notwendigkeit von Superhelden, Aufräumen, Diskurs und perfide Taktiken von Kindern.

Ich bin nicht stolz darauf, aber neulich suchte mich ein kleines bisschen Genugtuung heim. Denn ich habe herausgefunden: Auch Kinder stolpern gelegentlich über die von ihnen achtlos abgelegten Gegenstände in Wohnungen. Oder treten auf Legosteine. „Autsch!“, sagt der Vierjährige und schaut mich grimmig an. Wer da nicht lachen muss, ist völlig abgestumpft.

 

„Warum liegt das da?!“, fragt er mit diesem vorwurfsvollen Unterton, den man eigentlich nur von Eltern kennt, die schnippisch fragen, warum da etwas liegt, weil da etwas liegt, das da nicht rumliegen sollte und sie reingetreten oder gleich fachmännisch darüber gestolpert sind. Entschuldigung, kurz den Faden verloren.

„Warum liegt das da?!“

Recht hat er: „Warum liegt das da?!“. Manchmal scheint es, als würde der Vierjährige ständig solche Fragen stellen, damit ich nicht anderweitig auf dumme Gedanken komme. Beispielsweise selbst der Frage nachzugehen, weshalb da eigentlich und schon wieder in jedem Zimmer wahnsinnig viel Spielzeug auf dem Boden herumliegt, das ich eigentlich vor 20 Minuten bereits aufgeräumt hatte. Ich weiß auch, dass momentan alles ein bisschen schwierig auf der Welt ist, mir ist dennoch schleierhaft, weshalb bei uns Rettungshubschrauber und vier Ninjas auf dem Küchenboden rumliegen. Und ein Dinosaurier. „Triceratops!“, korrigiert mich der Vierjährige.

Als ich den Missstand anspreche, dreht der Vierjährige die Sachlage geschickt in den Diskurs: „Papa, warum heißt das eigentlich Spielzeug?“, fragt er. Und aus reinem Reflex überlege ich, wer eigentlich mal so faul – vielleicht auch genial - gewesen ist, um ein Wort für all diesen bunten Plunder zu erfinden: „Spielzeug“.

Immerhin reden wir da von einem breiten und divers aufgestellten Feld von Legosteinen, Bauklötzen, Autos, Bussen, Helikoptern, Rittern, Tieren, Radladern, Tiefladern, Baggern, Parkhäusern, Rettungswagen, falls Sie sich was zu essen holen wollen, machen Sie das bitte, ich bin noch lange nicht fertig mit der Aufzählung, Dinosauriern, Wachsstiften, Kugelschreibern, Papier, Atombomben, Fernglas …. Ja, okay. Atombombe war gelogen. Aber eben Zeug, mit dem man spielt. Vielleicht wäre es konsequenter gewesen, den ganzen Nippes gleich Dingszeug - oder noch besser - einfach Dings zu nennen.

Dann ist es klar...

Bis mir dann in einem kurzen Moment der Erleuchtung auffällt: Während ich überlegt habe, hat er es irgendwie geschafft, noch mehr Plunder in der Wohnung auszulegen. Und man muss sich da ein Stück weit ehrlich machen: Dem Vierjährigen ist eigentlich herzlich egal, warum das „Spielzeug“ heißt oder ob der Kopf explodiert, wenn man sich beim Niesen Nase, Mund und Ohren zuhält. Der will nur nicht aufräumen.

Genauso wie er Hunger bekommt, wenn eigentlich längst Zeit zu schlafen wäre. Realität – derzeit auch schwierige Geschichte. Meine Realität hat sich vollkommen verschoben, seit ich von einem Vierjährigen verarscht werde.

Er: „Papa?!“,

Ich: „Was ist denn?“.

Er: „Wie viele Geburtstage hast Du eigentlich noch?“

Orr, jetzt bloß nicht darüber nachdenken.

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Michael Setzer ist seit fast fünf Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.