Von Cowboys und Cowgirls: unser Kolumnist Mirko Weber hat den Country-Soundtrack seines Leben gefunden.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München – Als Willy Brandt gestorben war, heißt es im Vorwort zu Egon Bahrs letztem Buch „Das musst du erzählen“, bekam Bahr einen Brief von Lars Brandt, dem mittleren der drei Söhne, die Brandt mit seiner norwegischen Frau Rut gehabt hat (aus allen dreien ist was mit Büchern geworden: Peter Brandt wurde Historiker, Lars Brandt Schriftsteller, Matthias Brandt Schauspieler). Lars Brandt hatte sich von seinem Vater verabschiedet, dann aber, bereits in der Tür, noch eine letzte Frage gestellt: „Wer waren deine Freunde?“ Und Willy Brandt antwortete: „Egon.“

 

Bahr, der unermüdliche politische Rutengänger beim Wandeln durch Annäherung, notiert, dass ihn dies ermutigt habe, noch einmal zurückzublicken, wie es gewesen sei, „als Willy Brandt Bundeskanzler war“ (wie wiederum ein besonders gutes Lied von Funny van Dannen heißt). „Das musst du erzählen“ ist der selten gewordene Fall von Memoiren, denen man anmerkt, dass ihr Verfasser nicht nur einen Kopf, sondern auch einen Bauch und ein Herz hat – vor allem das. Mal abgesehen von der irgendwie legendären Antwort Brandts: „Egon.“ Sonst nichts. Eine echte Cowboy-Antwort, dachte ich.

Nicki – ein bayerisches Cowgirl?

Cowboys haben, außerhalb vom Fasching, einen schweren Stand in Deutschland, vermutlich, weil sie nicht hier erfunden worden sind. Deswegen sieht man selten welche auf der Straße, wenn nichts Besonderes anliegt, zum Beispiel ein Willie-Nelson-Konzert, wobei die Willie-Nelson-Konzerte auch immer seltener werden, weil Nelson halt schon achtzig Jahre alt ist. Ansonsten liegt auf Country-Musik hierzulande generell eher kein großer Segen, was auch damit zu tun haben könnte, dass die Hamburger Gruppe Truck Stop in „Ich möchte’ so gern Dave Dudley hör’n“ die Leute weiland glauben machen wollte, Country werde erschöpfend von D. D. und weiters noch von Hank Snow und Charly Pride repräsentiert. Ihr Pendant fanden die Hamburger in Nicki, einer Sängerin aus dem niederbayerischen Plattling, die sich mit der Behauptung, sie sei „a bayerisches Cowgirl“ in den Endachtzigern einführte und auch noch viele Jahre später behauptete, es sei soweit „ois easy“. Was es nicht ohne weiteres ist, wenn man mit Musik übers Land zieht, zumindest nicht im Amerika jenseits von Dave Dudley.

Ungeachtet dieser späteren teutonischen Harmonie-Abwege hat sich in München, mithin der Hauptstadt des Landes der deutschen Kuhhirten, vor hundert Jahren bereits der Cowboyclub 1913 e. V. gegründet, der im August sein Jubiläum feiert. Und bitte und von wegen „ois easy“: zweimal kam den bayerischen Cowboys und -girls der Krieg dazwischen, als sie gerade auf dem Absprung ins gelobte Land waren. Seine erste Ranch hatte der Cowboy-Club auf dem Gelände des Zirkusdirektors Carl Krone am Nockherberg. Krone war der Urenkel des berühmten Magiers Jacob Philadelphia (eigentlich: Jacob Meyer). Er kam im 18. Jahrhundert aus Amerika, um die Deutschen, darunter Goethe und Schiller, als Showmann der ersten Stunde Magie zu lehren: „Künste und Geheimnisse zur Belustigung jedermanns“, wie ein nachgelassenes Bändchen hieß.

Viel Musik für 15 Dollar

Viel später wich der Münchner Cowboyclub an die Floßlände aus, wo der damalige OB Hans-Jochen Vogel den Grundstein legte. Haben Sie Vogel (am Stock, aber aufrecht) auf dem Gelände am Rindermarkt gesehen, wo die Asylanten campierten? Ein Mann, ein Wort (und keines zu viel). Ein Cowboy der noblen Sorte.

Meinen Country-Soundtrack fürs Leben habe ich im vergangenen Jahr in einer kleinen Stadt nördlich von Boston gefunden. Nicht gerade Country-Kernland eigentlich. Von Molly O’Brien bis Townes van Zandt sind auf vier CD des Alternativ-labels Sugar Hill Records in einer Retrospektive alle versammelt, die als amerikanische Volksmusikanten etwas zu sagen und zu singen haben, meist ohne allzu viele Worte machen zu müssen. Der Verkäufer musterte meinen Fund und sagte nur: „Lotta Music for 15 Bucks!“ Viel Musik für 15 Dollar. Und wie Recht er gehabt hat.