Das Armstrong-Urteil ist begrüßenswert, doch die Rolle des Weltradsportverbands UCI bleibt fragwürdig. Ein Kommentar von StZ-Sportredakteur Heiko Hinrichsen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Wäre man ein Zyniker, man könnte sich herzhaft auf die Oberschenkel klopfen angesichts der Zustände im Profiradsport. Seit Montag ist Lance Armstrong also seine sieben Tour-de-France-Titel los. Er ist, so sagte es Pat McQuaid, der Präsident des Weltverbandes UCI, mit strengem Blick, auch kein Teil der Radsportfamilie mehr. Dieser richtige Schritt war allerdings überfällig angesichts des Belastungsmaterials, das die Ermittler der US-Antidopingagentur Usada (und nicht die UCI!) gegen den Ex-Patron des Pelotons zusammen getragen haben.

 

Trotz der begrüßenswerten Folgeentscheidung bleibt die Rolle des Weltverbandes dennoch eine sehr traurige. Denn die Geschichte des Betruges der Fahrer samt anschließender Schönfärberei seitens der Funktionäre ist im Radsport eine besonders lange. Erinnert sei nur daran, dass die Betrugsserie des vom Krebs geheilten Lance Armstrong im Jahr eins nach dem Festina-Dopingskandal bei der Tour de France 1999 begann. Einer Grande Boucle, die damals von den Radsportlobbyisten als „Tour der Erneuerung“ verkauft wurde.

Auch diesmal sollte man den Chefs der UCI trotz der Klarheit des Urteils vom Montag nicht trauen. Denn der Verband sitzt im Fall Armstrong nach Usada-Aktenlage quasi mit auf der Anklagebank. So soll der ehemalige UCI-Chef Hein Verbruggen eine positive Dopingprobe Armstrongs bei der Tour de Suisse 2001 vertuscht haben. Im Gegenzug soll Geld vom Konto des Texaners auf das der UCI geflossen sein.

Auch am Montag bediente sich Verbruggens Nachfolger McQuaid, so wie es unter Radsportfunktionären offenbar üblich ist, nur der halben Wahrheit. Die Ära Armstrong, sagte McQuaid, sei ein schwarzes Kapitel, das bis 2005 andauerte – inzwischen sei eine neue Zeit angebrochen. Unerwähnt ließ McQuaid aber, dass etwa dem Spanier Alberto Contador der Toursieg von 2010 wegen Dopings aberkannt werden musste – und dass Armstrong die Frankreich-Rundfahrt 2009 und 2010 ebenfalls gedopt absolviert hatte. Vor diesem Hintergrund bleibt das Urteil nicht mehr als ein Funke der Hoffnung in einer bis heute großflächig versauten Radsportwelt.