Wer die Firma schädigt, macht sich strafbar. Wer sie gegen die Wand fährt nicht – Ein Kommentar von StZ-Redakteur Michael Heller zum Urteil im Fall Thomas Middelhoff.

Stuttgart - Kaum jemand wird sich über den Ausgang des Prozesses gegen Thomas Middelhoff wegen Untreue und Steuerhinterziehung wundern; natürlich außer dem Ex-Chef des Handelskonzerns Arcandor selbst. Zu einer Haftstrafe von drei Jahren hat das Landgericht Essen ihn, der mit Arcandor die Handelslinien Karstadt und Quelle geführt hat, verurteilt. Damit kommt er hinter Gittern, falls das Urteil Bestand hat. Middelhoff weist alle Vorwürfe zurück und beteuert: „Ich kann mir kein Fehlverhalten vorwerfen.“

 

Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen. Die Auftritte des 61-Jährigen vor Gericht – der Prozess in Essen ist nur einer von vielen – bieten ein Bild, das so nur selten zu bestaunen ist. Da spricht ein Mann über sich selbst, der in völliger Selbstüberschätzung jeglichen Kontakt zur Realität verloren hat und eine Selbstbedienungsmentalität an den Tag legt, die einfach unverfroren ist. Dem Ansehen von Managern in dieser Republik, um das es ohnehin nicht gut bestellt ist, hat er damit immensen Schaden zugefügt.

Middelhoffs Argumentation ist nicht neu

Nach der eigenen Logik lügt der Ex-Manager, der vor seiner Zeit bei dem pleitegegangenen Handelskonzern an der Spitze von Bertelsmann stand, noch nicht einmal. Die Erklärung dafür hat seine Ehefrau Cornelie als Zeugin vor Gericht geliefert: „Er hat eigentlich immer gearbeitet, immer, immer“, sagte sie. Daraus folgt: wer immer arbeitet, hat ausschließlich betrieblich veranlasste Aufwendungen, die dann natürlich auch das Unternehmen bezahlen muss. Und wer sich selbst für so wichtig hält, wie es Middelhoff tut, für den gibt es nichts abzuwägen und keine Kosten, die womöglich überhöht wären – auch nicht die Kosten für einen Hubschrauberflug vom Arbeitsplatz in Essen zum eigenen Heim in Bielefeld, mit dem nichts weiter als ein Stau auf der Straße vermieden wurde.

Middelhoffs Argumentationsmuster ist nicht neu. Anfang der neunziger Jahre wurde in Stuttgart der frühere Vorstandschef des Telekommunikationskonzerns SEL, Helmut Lohr, ebenfalls wegen Untreue und Steuerhinterziehung verurteilt. Auch er sah sich rund um die Uhr für das Unternehmen im Einsatz und damit dazu berechtigt, zum Beispiel Flüge vom Unternehmen bezahlen zu lassen, die aus der Sicht des Gerichts privat veranlasst waren. Zufall oder nicht: auch Lohr wurde zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Für die Pleite des Konzerns wird er nicht bestraft

Es mindert die Schuld der Täter nicht, aber dennoch stellt sich in solchen Fällen auch immer die Frage, wie die Kontrollen in einem Unternehmen derart versagen konnten. Aber leider gehört es zur Kultur in Konzernen, dass es selten jemand wagt, dem Chef zu nahe zu treten. Am ehesten könnte das der Aufsichtsrat, aber der interessiert sich in aller Regel nicht für die Abrechnung von Dienstreisen.

Das Gericht hat den Schaden, den Middelhoff Arcandor zugefügt hat, auf 500 000 Euro beziffert. Das ist zwar viel Geld, steht aber in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den der Manager anderweitig angerichtet hat. Ob er je für die Pleite des Konzerns zur Verantwortung gezogen werden kann, steht in den Sternen. Das ist in Deutschland fast unmöglich, wenn der Chef nicht vorsätzlich gehandelt hat, was selbst Middelhoff niemand unterstellt.

Bei seinem Abgang wenige Monate vor der Pleite hatte der Chef in einem denkwürdigen Auftritt große Verdienste um Arcandor für sich beansprucht und resümiert, dass das Unternehmen verglichen mit dem Zustand bei seinem Amtsantritt vier Jahre vorher „wohlgeordnet und aufgeräumt“ sei. Fälle wie dieser offenbaren, dass es hier eine Gesetzeslücke gibt. Es ist einfach nicht richtig, wenn ein größenwahnsinniger Manager hinter Gittern muss, weil er sein Unternehmen um 500 000 Euro geschröpft hat, aber straffrei ausgeht, wenn er eben jenes Unternehmen komplett an die Wand gefahren hat.