Am Dienstag beginnt die Frankfurter Buchmesse – und die deutsche Verlags-Landschaft ist gewaltig in Bewegung. Viele Verlage wappnen sich mit neuer Führung für die Zukunft. Ein notwendiger Wechsel, konstatiert der StZ-Redakteur Stefan Kister.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Die Verlagsbranche in Deutschland ist in Bewegung. Und um diese Feststellung vor phrasenhaftem Stillstand zu bewahren, lohnt sich ein Blick auf das eher wenig buchaffine Gebiet der Bewegungssportarten. Fußballerischer Erfolg bemisst sich zu gleichen Teilen aus dem Angebot überragender Talente wie der glücklichen Hand derer, die sie erkennen, fördern und formen. Auf das Spielfeld jener Branche übertragen, die von Dienstag an wieder auf der Frankfurter Buchmesse ihre Leistungsschau zelebriert, entsprechen den Spielern die Autoren, den Trainern die Verleger, und wie im Fußball in den vergangenen Jahren die Kaste der Berater wachsenden Einfluss erlangt hat, so sind es hier die Agenten, die in der Vermittlung zwischen Autoren und Verlegern eine immer wichtigere Rolle spielen.

 

Doch anders als im Fußball, wo sich das Trainerkarussell jährlich munter dreht, waren Verlage immer Orte, die sich der Pflege oder Begründung ehrwürdiger Traditionen verschrieben haben. Diejenigen, die dafür einstanden, waren in ihrer Eigenart ans Mythische grenzende Verkörperungen von Geist, Macht und Geld. Einer der vielleicht Wichtigsten und Letzten dieser Art, der Hanser-Chef Michael Krüger, dankt in diesem Jahr ab. Nun beginnt sich auch hier manches zu drehen.

Bei vielen Verlagen tritt eine junge Generation an

Gleich mehrere Häuser tauschen ihr Spitzenpersonal aus: Bei Hanser, Dumont, Hoffmann und Campe sowie dem Berlin Verlag treten vergleichsweise junge Leute an, deren unbekümmerte Unternehmungslust mindestens so ausgeprägt ist wie die Größe der Probleme, die sie erben. Diese sind verknüpft mit dem hierzulande zwar immer noch zähen Siegeszug der E-Books, der digitalen Gefährdung des Urheberrechts und dem Angriff durch Monopolisten wie Amazon, die nicht mehr nur den stationären Buchhandel herausfordern, sondern mit Self-Publishing-Angeboten zunehmend auch die Verlage selbst.

Das Beschwören der Tradition und die Feier bedruckten Papiers dürften als Bestandsgarantie der immer noch einmaligen deutschen Verlagslandschaft so wenig hinreichen wie die panische Lust an den Untergangsszenarien einer ins Grenzenlose überhöhten digitalen Götterdämmerung. Erfreulich klingt jener neugierige Pragmatismus, mit dem etwa der künftige Hanser-Chef Jo Lendle jüngst in der „Zeit“ die übertriebene Angst vor dem E-Book in die Schranken wies, ohne die Augen für die Möglichkeiten im digitalen Raum zu verschließen.

Suhrkamp liefert die quälendste Erzählung der Saison

Das Kerngeschäft für Verlage bleiben nun einmal gute Bücher und nicht der Aggregatzustand, in dem sie zirkulieren. Doch neue Wege bedürfen des Schutzes. Bücher sind keine Ware wie jede andere. Dessen sollte die EU-Kommission eingedenk sein, wenn es darum geht, im Zuge des Freihandelsabkommens mit den USA bewährte Instrumente wie die Buchpreisbindung dem Markt zu opfern.

2013 ist freilich auch das Jahr, in dem Suhrkamp in die Insolvenz ging. Wie man einen Traditionsverlag regelrecht zerlegt und sein hohes Ansehen verspielt, war die vielleicht quälendste Erzählung der Saison, mit der dieses Haus die literarische Welt bereichert hat. Juristen mögen mit der Zunge schnalzen über die Tricks, Finessen und waghalsigen Volten, mit denen hier zwei Egomanen um die Herrschaft kämpften. Von den Eigenschaften jener großen alten Verlegerpatriarchen, nämlich Instinkt, Generosität und kaufmännisches Geschick, blieb nicht mehr übrig als nackte Selbstbehauptung, gewiegte Rechtsverdreherei und ruinöse Verschwendungssucht. Statt Autoren alimentiert der Verlag mittlerweile vor allem Anwälte. Auch wenn sich die Geschäftsführung um Ulla Unseld-Berkéwicz bei der Gläubigerversammlung Ende des Monats gegen ihren Kontrahenten, den Minderheitsgesellschafter Hans Barlach, durchsetzen sollte – ein Trainerwechsel wäre dringend geboten.