Ein kleiner Test am Freitagabend offenbart, dass die Kontrollen der Coronaregeln an Grenzen stoßen. Ein Trupp zeigt, was eindeutig besser werden muss.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Der 28-Jährige aus einem Stuttgarter Neckarvorort kommt nur bis zum Bopser. In der Stadtbahnlinie U 5 wollte er Richtung Degerloch, doch jetzt ist die Reise zu Ende. Geimpft, genesen, getestet – das gilt seit Ende November im Nahverkehr. Aber er hat keinerlei Nachweis für irgendwas davon. „Zu Hause vergessen“, behauptet er.

 

Der Mann ist am Freitagabend, kurz vor 21 Uhr, in die Fänge eines Kontroll-Kommandos geraten. Acht Polizeibeamte sowie vier Angehörige des städtischen Vollzugsdiensts sind unter Einsatzleiter Herbert Rau gemeinsam unterwegs. Und das ist auch notwendig, weil beide Behörden bei Corona-Kontrollen unterschiedliche Befugnisse haben, was 3G-Regel und Ausgangssperre für Ungeimpfte anbelangt. Ein Systemfehler, den auch die Aktion von Raus Truppe zutage fördern wird. Dazu reichen zwei Stunden.

Erstaunlich hohe Quote der Verstöße

Es ist 20.30 Uhr, und langsam übernimmt das junge Publikum die Szenerie. Die uniformierten Beamten warten am Stadtbahnhalt Hauptbahnhof auf ihre erste Bahn, eine U 7 nach Ostfildern, und werden schon bei der Einfahrt fündig. Von außen ist zu sehen, wie Jugendliche auf einem Vierersitz sich vergnügt unterhalten, zwei unmaskiert. Erst als die blauen Uniformen vor ihm stehen, schiebt ein 15-Jähriger schnell eine Maske über die Nase. Zu spät. Er und sein Kumpel müssen am Charlottenplatz raus. Mit dem Kumpel gibt es Probleme, weil Name und Geburtsdatum offenbar nicht registriert sind.

Und der 3G-Status? Den hätten die Polizisten nicht überprüfen dürfen, weil die Coronaverordnung dies den örtlichen Gesundheitsämtern überantwortet hat. Dafür ist jetzt der städtische Vollzugsdienst am Zug. Auf einer kurzen Tour in fünf Bahnen zwischen Hauptbahnhof und Degerloch sprechen sie 86 Fahrgäste an – und finden nicht nur den 28-Jährigen am Bopser. Elf 3G-Verstöße an diesem Abend ins Wochenende sind eine erstaunliche Quote von fast 13 Prozent. Der Schnitt liegt bei zwei Prozent.

Wer kontrolliert eigentlich die Ausgangssperre?

Und wie sieht es mit Verstößen gegen die Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr aus, die am 11. Dezember ausgerufen wurde? Hier nützt auch eine Schnelltestbescheinigung nichts. Bis auf „triftige Gründe“ dürfen da nur Geimpfte und Genesene unterwegs sein. Die Polizei hat auch hier kein Recht, sich den Impfstatus zeigen zu lassen, deshalb müssen diesen Part die städtischen Mitarbeiter erledigen. Stichprobe ist die Zwischenebene der unterirdischen Stadtbahnstation Schlossplatz.

Die Polizisten halten 138 Passanten auf, die städtischen Kontrolleure fischen drei Sünder heraus. Etwa einen 17-Jährigen aus Marbach, der erst eine Impfung hat. Oder einen 35-Jährigen, der angeblich dringend zum Zahnarzt muss. Später, am Arnulf-Klett-Platz, finden sich unter 117 Kontrollierten drei weitere Ausgangssperrensünder. „Woher soll man das auch wissen?“, schimpft ein 18-Jähriger im roten Trainingsanzug.

Ein Freifahrschein? Die Sache mit dem Feierabend

Erstaunlich: In 15 Aktionen davor hat das Ordnungsamt keinen einzigen Verstoß feststellen können. Kein Wunder: Spätestens um 22.30 Uhr endet die Arbeitszeit des Vollzugsdienstes. Danach ist für die Ausgangssperre niemand mehr zuständig. Daher macht auch die gemischte Truppe von Herbert Rau Feierabend.

Die Bilanz der zweistündigen Aktion: 341 Personen überprüft, 31 Ordnungswidrigkeiten inklusive Maskensünden entdeckt. Das sind neun Prozent. Auf Hunderttausende Nahverkehrsnutzer pro Tag hochgerechnet ist dieser Anteil bedenklich. „Natürlich ist unsere Aktion nur ein Nadelstich“, bilanziert der 55-jährige Einsatzleiter. „Aber die Erwischten tragen das in ihrem sozialen Umfeld weiter, und das ist die Breitenwirkung, die wir damit erzielen können.“ Übrigens: Von Sonntag an hat die Stadt die Ausgangssperre vorerst wieder aufgehoben.