In Leonberg fallen derzeit zum Teil mehr als die Hälfte der Beschäftigten an Kindertagesstätten wegen Krankheit aus. Eine Ärztin in Renningen verzeichnet derweil „wirklich viele namenlose grippale Infekte“.

Falls in zehn Jahren jemand eine wissenschaftliche Arbeit darüber schreibt, wie im Dezember 2022 die Leute in den S-Bahnen in und um Leonberg versuchten, mit Masken und Papiertaschentüchern vor ihren Gesichtern zu jonglieren, und wie noch nicht schniefende Mitreisende auf die mehr oder weniger virtuose Akrobatik reagierten, dann sind Spannungsbögen zu erwarten, wie man sie von Thrillern kennt.

 

Denn infektmäßig ist in diesem Dezember ordentlich was los: „Wirklich viele namenlose grippale Infekte“ diagnostiziert derzeit die Allgemeinärztin Barbara Mergenthaler, die in einer Gemeinschaftspraxis in Renningen arbeitet. Dazu käme: Die Influenza-Welle, die sich üblicherweise erst im Winter aufbaue, sei dieses Jahr „bereits da“.

Die derzeitige Häufung von Atemwegserkrankungen hat auch in Leonberg einschlägige Folgen: „In Leonberg sind vor allem die Kindertagesstätten von der derzeitigen Infektionswelle stark betroffen“, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage unserer Zeitung mit, „in der vergangenen Woche konnten viele Kitas nur in eingeschränkter Notbetreuung öffnen, da zum Teil über die Hälfte der Beschäftigten ausfiel.“

Kranke Kinder, kranke Erzieher

Krank werden aber nicht nur die Pädagogen: „Auch viele Kinder sind mit Atemwegserkrankungen ans Bett gefesselt“, teilt die Stadt Leonberg mit, „hinzu kommen nachgewiesene Fälle des Norovirus sowie Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen“, also das RS-Virus. Weil so viele Kinder krank seien, „müssen zwar weniger Kinder in den Kitas betreut werden, allerdings zeigt die Erfahrung der vergangenen Woche, dass die Krankheitsdauer bei Kindern in der Regel wesentlich kürzer ausfällt als bei den Beschäftigten“, heißt es aus dem Leonberger Rathaus.

Dort wird ansonsten Atemwegsinfekt-bedingt das praktiziert, was zu Beginn der Coronazeit die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel gerne „Auf Sicht fahren“ nannte: „Um die Betreuung weiterhin zu gewährleisten, entscheidet die Stadt Leonberg derzeit täglich neu, ob die Kitas mit eingeschränkten Betreuungszeiten aufrecht erhalten werden können – oder ob ausschließlich Notgruppen angeboten werden.“

„Masken können die Leute nicht robust machen“

Wenngleich Corona in ihrer Praxis bei den Virusinfektionen derzeit eine eher untergeordnete Rolle spiele, so sei die momentane Infektionswelle doch in gewisser Weise auch eine Folge der Coronazeit, sagt die Renninger Ärztin Barbara Mergenthaler, ihres Zeichens stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Kreisärzteschaft Leonberg: Sie stelle ein „Nachholen“ von Atemwegserkrankungen fest. Dadurch, dass lange Masken getragen und Abstände eingehalten wurden, habe es „zwei Jahre lang deutlich weniger Infektionen als zuvor“ gegeben.

Jetzt würden sich die Folgen zeigen: „Das Immunsystem ist es nicht mehr gewohnt, mit einem Infekt umzugehen.“ Vermehrtes Maskentragen hält Barbara Mergenthaler deshalb nicht für den Königsweg gegen die derzeitige Infektionswelle mit diversen Viren: Zwar seien Masken geeignet, eine Infektion hinauszuzögern, „aber Masken können die Leute nicht robust machen“. Eine gewisse Robustheit sei aber gerade bei hohen Infektionszahlen wünschenswert: „Robust wird man durch draußen unterwegs sein. Wer täglich draußen ist, der hat weniger mit Infektionen zu kämpfen.“

Hoher Krankenstand in Ditzingen

Gekämpft, wenn man so will, wird derzeit offenbar in Stadtverwaltungen: „Wir haben tatsächlich einen verhältnismäßig hohen Krankenstand bei unseren Mitarbeitenden. Kernverwaltung, Kitas und Schulen scheinen hiervon alle gleichermaßen betroffen zu sein“, teilt die Stadt Ditzingen auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Zugleich ist der Antwort aus dem Ditzinger Rathaus aber zu entnehmen, dass Untergangsszenarien keineswegs angebracht sind: „Durch Vertretungsregelungen und Springerdienste ist die Situation jedoch aktuell noch handhabbar, sodass von unserer Seite momentan keine spezielle Reaktion erforderlich ist.“