Wie die CDU verlieren auch die Freien Wähler rund sechs Prozent der Stimmen. Letztere bleiben aber klar die stärkste Fraktion. Die Grünen erfreuen sich kräftiger Gewinne. Die AfD ist erstmals im Kreistag vertreten.

Böblingen - Auch bei der Kreistagswahl sind die Grünen die Gewinner – obwohl sie nur die drittstärkste Fraktion stellen. 16 der 84 Sitze stehen ihnen künftig zu, fünf mehr als vor der Wahl. Ebenfalls fünf Plätze im Ratssaal sind – erstmals – für die AfD reserviert. Im Gegenzug kippten die Wähler auf der rechten Seite des Parteienspektrums die NPD aus dem Kreisparlament. Die Nationalen waren bisher mit einem Ausgleichssitz vertreten.

 

Zu den Gewinnern dürfen sich auch die Liberalen zählen. Ihren Stimmenanteil steigerten sie von 4,6 auf 7,6 Prozent, was ein Plus von vier auf sechs FDP-Kreisräte ausmacht. Mit praktisch unverändertem Ergebnis bleiben den Linken ihre drei Sitze erhalten. Neu im Kreisparlament ist mit einem Vertreter die Leonberger Initiative S:ALZ, was als Kürzel für „Stadt: Arbeit, Leben, Zukunft“ steht.

Der Klimaschutz hat das Wahlergebnis bestimmt

„Unser Zugewinn liegt vor allem daran, dass die Bürger zunehmend erkannt hat, dass in puncto Klimaschutz dringend noch mehr gemacht werden muss“, erklärt Roland Mundle, der grüne Fraktionschef im Kreistag. Die Wähler trauten seiner Partei am ehesten zu, die notwendigen Schritte zu unternehmen. „Diesem Vertrauensvorschuss wollen wir gerecht werden“, verspricht Mundle. Ein Drittel des Kohlendioxidausstosses verursache der Autoverkehr. Im Landkreis seien 83 Prozent der Menschen mit einem Automobil unterwegs. Die Grünen wollen das Radwegenetz ausbauen- E-Bike-Stationen an Bahnhöfen schaffen und das Mobilitätskonzept zur Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs rascher voranbringen. Zudem drängt die Öko-Partei auf mehr Energieeffizienz bei öffentlichen Gebäuden, den Bau von Solaranlagen und auf eine Versorgung mit hundert Prozent Öko-Strom.

Die tatsächlichen Wahlsieger auf Kreisebene sind und bleiben mit 25 Sitzen die Freien Wähler. „Unser Ziel war, die stärkste Fraktion zu bleiben, das ist klar gelungen“, sagt der Fraktionsvorsitzender Thomas Sprißler, von Beruf Herrenbergs Stadtoberhaupt. Allerdings steht auf der anderen Seite der Wahlbilanz ein Verlust von mehr als sechs Prozent der Wählerstimmen. Die Christdemokraten büßten in gleicher Größenordnung ein. Gemeinsam mit den Freien Wählern waren sie bisher gewohnt, mit absoluter Mehrheit die Kreispolitik im Zweifel allein bestimmen zu können. Diese Überlegenheit ist auf die Hälfte der 84 Sitze geschrumpft.

Thomas Sprißler ist erneut Stimmenkönig

„Nach der politischen Großwetterlage haben wir die Veränderung erwartet“, sagt Sprißler. Er selbst hat den Titel des Stimmenkönigs knapp verteidigt, mit zehn Stimmen Vorsprung vor dem Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer. Hingegen hat der einstige Bürgermeister und ehemalige Fraktionschef der Freien Wähler, Winfried Dölker, die Spitzenposition in seinem Wahlkreis eingebüßt. Diese nimmt nun sein Amtsnachfolger Ioannis Delakos ein, der den Kreis insbesondere bei der Digitalisierung voranbringen möchte. Über den Umgang mit der AfD haben die Freien Wähler sich noch wenig Gedanken gemacht. „Schauen wir mal, wie sie sich einbringen und verhalten“, sagt Sprißler. Derselben Ansicht ist auch Roland Mundle: „Wenn sich die AfD an demokratische Spielregeln hält, können wir mit ihnen diskutieren.“

In anderen Parlamenten gilt eben das Verhalten der Rechtsaußen als unerträglich. Dies erlebt Paul Nemeth als CDU-Landtagsabgeordneter leidvoll. Für den Kreisrat hat seine Partei den grünen Kernthemen zu wenig entgegengesetzt und deshalb die Stimmenverluste erlitten. Um näher am Interesse der Wähler zu liegen, müsse man daran dringend arbeiten, meinte Nemeth.

Tobias Brenner kommentiert den Niedergang der SPD humoristisch

„Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Tobias Brenner, der Fraktionsvorsitzende der SPD. Gemessen am Ergebnis der Europawahl herrscht daran kein Zweifel. Bundesweit verloren die Genossen gut elf Prozent, im Kreis waren es gut zwei. Das Ergebnis sei keinesfalls enttäuschend, zumal nicht überraschend, meint Brenner. „Das ist die Großwetterlage, der Zeitgeist und es hat programmatische Gründe.“ Ungeachtet des Niedergangs kommentiert der Fraktionschef die Situation seiner Partei noch humoristisch: „Mit der SPD ist es wie mit den anderen Roten, dem VfB.“