Mächtige Banden wollen in Haiti die Interimsregierung stürzen. Ihre Gewalt hindert den Regierungschef an der Rückkehr von einer Auslandsreise. Auch der deutsche Botschafter macht sich auf und davon.

Wegen der eskalierten Gewalt krimineller Banden in Haiti haben Deutschlands Botschafter und der Ständige Vertreter den Karibikstaat verlassen. Sie seien am Sonntag „aufgrund der sehr angespannten Sicherheitslage in Haiti gemeinsam mit Entsandten der EU-Delegation“ in das Nachbarland Dominikanische Republik ausgereist, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Abend der Deutschen Presse-Agentur. „Sie arbeiten bis auf Weiteres von dort aus.“

 

Die dominikanische Zeitung „Listín Diario“ hatte berichtet, der deutsche Botschafter und elf weitere Personen seien mit zwei Hubschraubern aus Haiti evakuiert worden. Sie seien zunächst auf einen Landeplatz der dominikanischen Armee in der Gemeinde Jimaní und von dort weiter nach Santo Domingo, der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, geflogen worden. Das Land teilt sich die Karibikinsel Hispaniola mit Haiti.

US-Militär schreitet ein

Zuvor war bekannt geworden, dass das US-Militär am Wochenende einen Teil des Personals der US-Botschaft in Haiti evakuiert und die Sicherheitsvorkehrungen dort verstärkt hatte. Wie das Regionalkommando Southcom am Sonntag mitteilte, wurden nicht essenzielle Mitarbeiter auf Bitten des US-Außenministeriums hin ausgeflogen.

Ende Februar war in Haiti, wo Banden laut UN bereits etwa 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollierten, die Gewalt eskaliert. Die zwei mächtigsten Banden hatten sich gegen die Regierung zusammengeschlossen. Ihr Anführer, der Ex-Polizist Jimmy Chérizier alias „Barbecue“, drohte mit einem Bürgerkrieg, wenn Interimspremierminister Ariel Henry nicht zurücktrete. Henry war auf einer Auslandsreise und kehrte bisher offenbar wegen der Sicherheitslage nicht zurück.

Die Banden griffen unter anderem Polizeistationen, staatliche Einrichtungen und Flughäfen an – alle Flüge von und nach Haiti fielen seit Tagen aus. Sie befreiten aus zwei Gefängnissen zudem mehr als 4500 Häftlinge. Die Gewalt legte große Teile des armen Karibikstaates lahm und verschärfte die bereits prekäre humanitäre Lage.