Der Hauptspaß in diesem sehr flott geschriebenen, spannenden Krimi besteht in den skurrilen Hauptpersonen, an ihrer Spitze der aufklärende „Detektiv“ Arthur Seldom, passenderweise Professor für Logik und sein Schüler und Ich-Erzähler, der ein wenig Probleme mit mehreren Frauen hat, mit denen er anbändeln will: „Eine Dualität, die nicht topologischer Art war, machte sich in mir breit oder spaltete mich vielmehr. Bis vor zwei Tagen hatte ich beim Anblick der Tennisplätze auf dem Universitätsgelände jedes Mal sehnsüchtig an Lorna gedacht, jetzt sah ich Sharons und Kristens Gesichter vor mir wie zwei sich gegenseitig ausschließende Möglichkeiten, die sich energischer bekämpften als die Hegel’schen Gegensätze, mit jeweils sehr überzeugenden Argumenten (…), beide erschienen mir in gleicher Weise anziehend, ohne dass irgendeine meiner (oder Carrolls!) logischen Diskriminanten mir geholfen hätte, einer den Vorzug zu geben.“ Es kommen Gödels Unvollständigkeitssatz vor, Oscar Wilde, Jorge Luis Borges‘ „Pierre Menard, Autor des Don Quijote“ und der US-amerikanische Philosoph Willard Quine und sein Gedankenexperiment mit dem Anthropologen, der einen Hasen sieht und von einem Eingeborenen das Wort „gavagai“ dazu hört – aber nicht weiß, ob es „Hase“ bedeutet, „Essen“, „Tier“, „Plage“, „große Ohren“, „weiße Farbe“, „Jagdzeit“ oder „schnelles Laufen“. Oder „Es könnte auch sein, dass es so wenige Hasen auf der Insel gibt, dass jeder von ihnen einen Namen hat und Gavagai diesen einen bezeichnet“: Wörter sind also vieldeutig. Manchmal liest sich der Krimi wie eine Anspielung auf Umberto Ecos „Der Name der Rose“, in dem scheinbar auch Morde nach einem literarischen Vorbild begangen werden, bei Eco ist es die Bibel, hier das surrealistische Kinderbuch „Alice im Wunderland.“

 

Natürlich ist das Buch neben diesem intellektuellen Spaß auch ein richtiger, spannender Krimi mit lauter falschen und richtigen Spuren, vielen Verdächtigen, einer ausgefeilten Detektivarbeit und einer überraschenden Lösung. Martínez „Fall Alice im Wunderland“ ist damit eine schöne Wiederaufnahme der gelehrten, oft witzigen, meist geistreichen Oxford-Krimis, die einmal eine richtige Tradition hatten und mit Dorothy Sayers und Edmund Crispin auch einige literarische Höhepunkte erlebten.

Guillermo Martínez: Der Fall Alice im Wunderland, Aus dem Argentinischen von Angelika Ammar, Eichborn Verlag, 316 Seiten, 16 Euro

Sehr geschickt streut Martínez Spuren in den Roman, z.B. hat der Bentley der alten Dame Josephine eine Beule, und es stellt sich heraus, dass sie früher eine berühmte Rennfahrerin gewesen ist. Und Hinch wird verdächtig, als sich herausstellt, dass er pädophile Fotos im Stil von Lewis Carroll macht und sie bis in hohe Kreise verkauft. Und natürlich sind all diese Spuren falsch, wie sich das für einen guten Krimi gehört.

Flott und spannend geschrieben

Der Hauptspaß in diesem sehr flott geschriebenen, spannenden Krimi besteht in den skurrilen Hauptpersonen, an ihrer Spitze der aufklärende „Detektiv“ Arthur Seldom, passenderweise Professor für Logik und sein Schüler und Ich-Erzähler, der ein wenig Probleme mit mehreren Frauen hat, mit denen er anbändeln will: „Eine Dualität, die nicht topologischer Art war, machte sich in mir breit oder spaltete mich vielmehr. Bis vor zwei Tagen hatte ich beim Anblick der Tennisplätze auf dem Universitätsgelände jedes Mal sehnsüchtig an Lorna gedacht, jetzt sah ich Sharons und Kristens Gesichter vor mir wie zwei sich gegenseitig ausschließende Möglichkeiten, die sich energischer bekämpften als die Hegel’schen Gegensätze, mit jeweils sehr überzeugenden Argumenten (…), beide erschienen mir in gleicher Weise anziehend, ohne dass irgendeine meiner (oder Carrolls!) logischen Diskriminanten mir geholfen hätte, einer den Vorzug zu geben.“ Es kommen Gödels Unvollständigkeitssatz vor, Oscar Wilde, Jorge Luis Borges‘ „Pierre Menard, Autor des Don Quijote“ und der US-amerikanische Philosoph Willard Quine und sein Gedankenexperiment mit dem Anthropologen, der einen Hasen sieht und von einem Eingeborenen das Wort „gavagai“ dazu hört – aber nicht weiß, ob es „Hase“ bedeutet, „Essen“, „Tier“, „Plage“, „große Ohren“, „weiße Farbe“, „Jagdzeit“ oder „schnelles Laufen“. Oder „Es könnte auch sein, dass es so wenige Hasen auf der Insel gibt, dass jeder von ihnen einen Namen hat und Gavagai diesen einen bezeichnet“: Wörter sind also vieldeutig. Manchmal liest sich der Krimi wie eine Anspielung auf Umberto Ecos „Der Name der Rose“, in dem scheinbar auch Morde nach einem literarischen Vorbild begangen werden, bei Eco ist es die Bibel, hier das surrealistische Kinderbuch „Alice im Wunderland.“

Natürlich ist das Buch neben diesem intellektuellen Spaß auch ein richtiger, spannender Krimi mit lauter falschen und richtigen Spuren, vielen Verdächtigen, einer ausgefeilten Detektivarbeit und einer überraschenden Lösung. Martínez „Fall Alice im Wunderland“ ist damit eine schöne Wiederaufnahme der gelehrten, oft witzigen, meist geistreichen Oxford-Krimis, die einmal eine richtige Tradition hatten und mit Dorothy Sayers und Edmund Crispin auch einige literarische Höhepunkte erlebten.

Guillermo Martínez: Der Fall Alice im Wunderland, Aus dem Argentinischen von Angelika Ammar, Eichborn Verlag, 316 Seiten, 16 Euro