Das kleine Eberdingen scheint ein inspirierendes Pflaster zu sein: Sechs Künstler haben dort eine Scheune in Adelsbesitz umgemodelt und zeigen darin ihre Arbeiten. Hinter ihnen liegt ein hartes Stück Arbeit. Vor ihnen womöglich auch. Am Sonntag wird Eröffnung gefeiert.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Eberdingen/Hochdorf - Als sie „den Staub von Jahrhunderten“ wegfegten, wie es Ulla Haug-Rößler lachend umschreibt, waren Atemschutzmasken Pflicht. „Wir wollten uns ja nicht das Hanta-Virus holen.“ Jahrhunderte lang hat der 400-Quadratmeter- Dachboden der alten Hochdorfer Kastenscheuer zwar nicht leergestanden. Dennoch kam Haug-Rößler und ihren Mitstreitern mancher Kleintierkadaver unter, als sie sich ans Ausmisten machten, alte Teppichböden herausrissen und den riesigen Raum ummodelten. Zwei Monate lang schufteten sechs Künstler aus der ganzen Region Stuttgart in dem Gemäuer, das zum Schloss Hochdorf gehört. Jetzt nennen sie die Kastenscheuer „Flurstück 157/1 – Produzentengalerie“ – und zeigen zwischen altem Gebälk und zugigen Gaubenfenstern zeitgenössische Kunst.

 

Meisterfälscher Wolfgang Lämmle war auch schon hier

„Der Zufall hat uns zusammengeführt“, erzählt Ulla Haug-Rößler über die Gruppe, zu der noch der Druckgrafiker und Fotograf Jochen Detscher, die Bildhauerin und Gestalterin Claudia Dietz, der Bildhauer und Installationskünstler Andy Dobler, der Performer und Aktionskünstler Theo Dietz sowie die Textil- und Objektkünstlerin Edel Zimmer zählen. Haug-Rößler, Malerin aus Vaihingen an der Enz, kennt Ulrich Eberle – und bekam eines Tages eine E-Mail von ihm. Der Rechtsanwalt ist der Generalbevollmächtigte des Schlossbesitzers Clemens Krause Freiherr Geyr von Schweppenburg – und hielt in dessen Namen Ausschau nach einer Nachnutzung für die Kastenscheuer.

Das Gemäuer hat schon aufregende Zeiten erlebt: Bis vor wenigen Jahren betrieb dort der illustre Kunstmaler und Meisterfälscher Wolfgang Lämmle, der vor einem Monat in Australien starb, eine Galerie. Die übrig gebliebenen braunen Stellwände nutzen die „Neuen“ weiter – an ihnen hängen nicht nur ihre Drucke, Grafiken, Skizzen und Fotografien, sie dienen auch als Raumteiler. Jeder aus dem Sextett hat so sein Kabinett für sich. „Natürlich hätte ich die Scheuer auch als Lagerraum vermieten können“, sagt Ulrich Eberle. Die Kreativen sehe man dort aber viel lieber. Der Schlossherr sei kunstaffin. Direkt gegenüber von den Neuankömmlingen betreibt eine andere Künstlergruppe in einem Gebäude, das ebenfalls zum Schlossbesitz zählt, die „Galerie im Kunsthof“. Ulla Haug-Rößler war angetan, fragte Kollegen, die wiederum Kollegen fragten – so fanden die sechs Künstler im Alter zwischen 20 und 70 Jahren zueinander.

Die ländliche Ruhe aufmischen

Kunstwerk Klein, Keltenmuseum, mehrere Ateliers, Künstlervereinigungen in alten Scheuern: Ist es Zufall, dass der Geist der Inspiration ausgerechnet im kleinen Eberdingen so ergiebig wirkt? „Es gibt auf jeden Fall eine gute Grundatmosphäre für die Kultur. Außerdem ist Stuttgart nicht weit, und über die B 10 gibt’s eine gute Anbindung“, findet Claudia Dietz. Die Frau mit den zu Schnecken geflochtenen Zöpfchen ist die Einzige aus dem Künstler-Sextett, die in Eberdingen lebt. Ulla Haug-Rößler setzt unternehmungslustig hinzu: „Wir haben aber auch den Plan, die ländliche Ruhe etwas aufzumischen, mit Lesungen, Musik oder Performances.“

„Sonntags um vier“ soll die Reihe heißen, die aber erst aus der Taufe gehoben wird, wenn sich der Galeriebetrieb eingespielt hat. „Die nächsten sechs Sonntage heißt die Devise erst mal: ‚Meet the artist’“, kündigt Haug-Rößler an. Abwechselnd wollen die sechs Künstler sonntags zwischen 14 und 18 Uhr Gäste empfangen – jedoch nur zwischen April und Oktober. Im Winter ist es zu kalt, das alte Gemäuer ist unbeheizt. Für ihre erste Saison bekommen die Künstler das Dachgeschoss mietfrei. Sie sollen Anlaufzeit haben, um mit ihrer Produzentengalerie Fuß zu fassen.

An Steineschleppen ist nicht gedacht

Zwar haben sie ihre eigenen Ateliers und brauchen den riesigen Raum nicht vordringlich zum Arbeiten. Einen Werkstattbereich gibt es trotzdem. „Steine werde ich sicher nicht hier hochschleppen“, meint die Bildhauerin Claudia Dietz ,„ich denke eher an experimentelle Zeichnungen oder Drucke.“ Als großes Pfund sehen die Beteiligten die große Ausstellungsfläche – Edel Zimmer etwa mit ihren zarten, aber raumgreifenden Draht- und Gewebeobjekten. „Die kann ich zu Hause schlecht aufhängen“, sagt die Bietigheim-Bissingerin.

An ihrem Experiment auf dem Land gefällt den Künstlern eines besonders gut: Hier werkelt nicht jeder in seinem eigenen Kämmerlein. „Es ist toll, mit den anderen in Dialog zu kommen und sich mit ihren Arbeitsweisen zu beschäftigen“, erzählt Jochen Detscher. „Wir haben schon beim Hängen bemerkt, dass einige unserer Arbeiten miteinander korrespondieren.“

Der Zustand vor der Putzaktion

Wie ganz oben in einer Kammer direkt unterm Dach. Dort schwebt ein Objekt von Edel Zimmer in Kombination mit einer ironischen Installation von Jochen Detscher, die Filmstills aus bekannten Horrorstreifen mit profanen Baustellenfotos verquickt. Je nach Blickwinkel scheint das eine oder das andere durch. „Hier haben wir übrigens den Originalzustand von vor der Putzaktion erhalten“, sagt Detscher. „Das gehört jetzt zur Installation.“