Was alle befürchtet haben, hat sich bewahrheitet: Durch den Umzug vom Kunstgebäude ins Haus der Wirtschaft hat die Messe Besucher verloren. Am Sonntag ist die 5. Künstlermesse Baden-Württemberg zu Ende gegangen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Die Dame ist begeistert. Sie hat sie sofort bemerkt, die Installation aus alten Deckeln von Gurkengläsern und Saftflaschen, von Chio-Dip und Sonnenblumenöl. Die Künstlerin Rosaana Valesca hat sie in Farbverläufen in ihrer Koje aufgehängt. Sie stammt aus Mexiko – wo auch die Besucherin bereits war, weshalb es ihr unmittelbar einleuchtet, das es hier um die mexikanische Abfallthematik geht. Verkaufen lässt sich solch eine Installation freilich nicht so einfach, deshalb hat Rosaana Valesca sich erst gar keinen Preis überlegt. Immerhin, zwei kleine Gipstotenköpfe hat sie verkauft – das Stück zu zehn Euro.

 

Am Sonntagabend ist die 5. Künstlermesse Baden-Württemberg zu Ende gegangen, und die meisten der 87 Künstlerinnen und Künstler tragen nicht nur ihr Gemälde und Skulpturen, ihr Drucke und Zeichnungen wieder ins Atelier, sondern sie gehen auch mit Schulden nach Hause. Was alle befürchtet haben, hat sich bewahrheitet: Durch den Umzug vom Kunstgebäude ins Haus der Wirtschaft hat die Messe Besucher verloren. Um die 4000 kamen bisher. Noch sind die Eintrittskarten nicht ausgezählt, aber die Organisatorin Ursula Thiele-Zoll ist sich schon jetzt sicher: „Es sind bestimmt nicht so viele wie bisher“. Dabei muss der Bund Bildender Künstler sogar froh sein, dass er kurzfristig ins Haus der Wirtschaft konnte. Die Verträge waren bereits unterschrieben, als das Land entschied, dass Teile des Kunstgebäudes nicht mehr für die Kunst zur Verfügung stehen, sondern das Parlament im Kuppelsaal einzieht – solange, bis der Landtag saniert ist.

Die Füße dampfen

Nun müssen sich die Künstler mit dem Listsaal begnügen, der zwar hell ist, aber auf der Galerie so schweißtreibend heiß, dass einige der Künstler sogar die Schuhe ausziehen, weil ihnen die Füße dampfen. Die Stimmung ist etwas gedrückt, auch wenn alle sich gegenseitig ermuntern. Die Gespräche mit den Besuchern seien „kultiviert und interessiert“, meint Sigrid Münch-Metzner aus Ulm. Sie hat Druckgrafik im Angebot, die in den Vorjahren bestens lief. Diesmal hat sie „viel Lob, Ruhm und Ehre“ bekommen, erzählt sie, verkauft hat sie nichts. „Was sehr gut ging, waren meine Visitenkarten“, sagt sie und freut sich nun auf ihre anstehende Gruppenausstellung in New York.

Das Spektrum der angebotenen Arbeiten ist breit, es gibt Malerei und Plastik, Drucke und Fotografie, Konkretes und Gestisches, Harmloses wie Bemerkenswertes. Klaus Fischer malt Passanten im öffentlichen Raum, Karl Striebel collagiert auf der Leinwand Figuren, Fahrzeuge und Natur. Es gibt Werke für den schmalen Geldbeutel und für Besserverdiener.

Die Laufkundschaft fehlt

Thomas Matt ist einer der wenigen, für den sich die Reise nach Stuttgart gelohnt hat. Der Bildhauer vom Feldberg hat durch die Messe „gute Kontakte ins Schwäbische“ bekommen. Seine große rostige, geometrische „Stehende“ zu 5000 Euro muss er zwar wieder heimbringen – „sie ist leichter als man denkt“, sagt er. Aber Matt hat vier Arbeiten verkauft. „Ich bin zufrieden“, sagt er, „das Fachpublikum ist gekommen, aber die Laufkundschaft fehlt eben“.

Deshalb hat Andrea Eitel auch Zeit zum Lesen. Die Stuttgarter Malerin hat ihren Kindle mitgebracht und immerhin 67 Seiten von Gustav Meyrinks „Golem“ gelesen. Manchmal schaut jemand vorbei und fragt: „Ist das der Tim?“ Ja, der junge Mann auf einem der Gemälde ist Tim Eitel, der international erfolgreiche Maler – und Sohn von Sabine Eitel. Motive und Malduktus von Mutter und Sohn haben durchaus Ähnlichkeiten. „Ich nenne es unseren Familienblick“, sagt Andrea Eitel, die Bilder zeigt von Putzwagen, garniert mit Müllsack und Papierkorb. Sie verdanke der Künstlermesse viel, meint Eitel, weil sie die Initialzündung war für mehrere Ankäufe durch die Landesbank. Inzwischen wird Eitel auch von der Stuttgarter Galeristin Amrei Heyne vertreten und deshalb künftig wohl nicht mehr auf der Künstlermesse sein.

Der Zweck wurde verfehlt

Auch Renate Maucher wird sich überlegen, ob sie bei der Messe, die 2015 wieder im Haus der Wirtschaft wird stattfinden müssen, noch einmal antritt. „Die Atmosphäre ist gut“, sagt sie, „ein bisschen habe ich auch verkauft, aber die Standmiete ist noch nicht drin“. Damit hat die Künstlermesse letztlich ihren Zweck verfehlt: Sie soll ein Marktplatz sein, auf dem Künstlerinnen und Künstler direkt ihre Werke präsentieren und verkaufen können. Für 2015 hofft Ursula Thiele-Zoll, einen weiteren Raum im Haus der Wirtschaft zu bekommen, damit wenigstens wieder Diskussionsrunden zum Kunstmarkt und –betrieb angeboten werden können. Aber eine Messe ist eine fragile Angelegenheit. Und sollten mehr der guten und professionell arbeitenden Künstlerinnen und Künstler abspringen, könnte das bald das Aus für dieses einstige Erfolgsmodell bedeuten.