Das Aufarbeiten der kulturgeschichtlichen Sammlung von Kornwestheim mit 30 000 Exponaten stellt sich als viel mühsamer und zeitraubender heraus als gedacht. Wozu wird dieser Aufwand überhaupt betrieben?

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Dass nach einem Umzug noch länger einige Kisten herumstehen, dürfte vielen bekannt vorkommen. In der ehemaligen Bücherei in der Kantstraße in Kornwestheim sind allerdings noch etliche volle Kartons zu finden. Seit dem Einzug der kulturgeschichtlichen Sammlung der Stadt vor fast vier Jahren hat sich dort zwar schon einiges getan. Doch die schiere Menge der mindestens rund 30 000 Exponate stellt die Verantwortlichen vor eine Mammutaufgabe.

 

Erst ein Drittel der Kisten wurde ausgepackt

Seine Schätze hat der Verein für Geschichte und Heimatpflege Kornwestheim der Stadt im Jahr 2018 geschenkt. Im Folgejahr wurden die Gegenstände in das leer stehende Gebäude in der Kantstraße geräumt. Zuvor waren die Objekte, die die Mitglieder etwa 40 Jahre lang zusammengetragen hatten, in Räumen in der Mühlhäuser Straße untergebracht. Dort hatte der Verein ein Stadtmuseum betrieben. Das Haus in der Mühlhäuser Straße bot Platz auf 1400 Quadratmetern, musste jedoch abgerissen werden. Die neue Heimat in der Kantstraße ist mit etwa 900 Quadratmetern deutlich kleiner, sodass schon vor dem Umzug viel aussortiert worden ist.

Doch noch immer ist die Vielzahl und Vielfalt der Objekte erstaunlich groß. Oberbürgermeisterin Ursula Keck ging noch vor wenigen Jahren davon aus, dass die Aufarbeitung nur etwa fünf Jahre in Anspruch nehmen wird. Nun steht fest: Es wird noch viel mehr Zeit ins Land gehen. „Die vollständige Erfassung wird noch mindestens 20 Jahre dauern“, sagt Saskia Dams, die das Museum im Kleihues-Bau leitet und auch für die kulturgeschichtliche Sammlung zuständig ist. Erst 300 Stücke seien komplett inventarisiert. Aus den Kisten ausgepackt und gesichtet wurde rund ein Drittel der Sammlung.

Bücher, Bilder, Schilder, Dokumente, aber auch andere Dinge wie Möbel, Uhren, Geschirr und Technik umfasst die Sammlung in der Kantstraße. Ein Schwerpunkt ist – mit weitem Abstand – das Thema Salamander. Schuhe, Werkzeug, Geräte, Entwürfe und Werbeprodukte gehören dazu. Diesem Bereich sind auch die meisten der einzigartigen Objekte zuzuordnen, zum Beispiel eine Gussform des Igelmanns, der neben Lurchi zu den Werbefiguren Salamanders zählte.

Recherche frisst sehr viel Zeit

Eine 50-Prozent-Kraft ist seit Juli 2020 dabei, alle Exponate zu sichten, zu bewerten und zu dokumentieren. Nur einen groben Überblick bieten die Packlisten, die für den Umzug erstellt wurden. Deshalb muss jedes einzelne Teil, das in den Kisten lagert, in die Hand genommen und erfasst werden. Jeder Gegenstand erhält eine Objektnummer, wird fotografiert und mit Informationen in eine digitale Datenbank eingepflegt. Wie ist der Zustand? Wo liegen die Besonderheiten? Aus welchem Jahr stammt der Gegenstand?

„Gerade die Recherchearbeit ist sehr schwer und langwierig“, erklärt Saskia Dams. Oft ist unbekannt, wie alt das Exponat ist. „Manchmal ist sogar unklar, was es überhaupt ist“, sagt die Kunsthistorikerin und greift zu einem Gegenstand, der bisher noch rätselhaft ist. „Metallgerät grün“, das könne man schlecht in die Datenbank eintragen, erläutert sie anhand dieses Beispiels. Mit einer solchen Erfassung sei niemandem geholfen. Erst wenn die Funktion und der Zusammenhang klar ist, wird es bei Bedarf wieder gefunden. Nur dann kann beurteilt werden, ob das Objekt überhaupt aufgehoben werden soll. Um die Exponate richtig einzuordnen und beurteilen zu können, ist daher die Expertise von Fachleuten nötig.

Finale Größe des Bestandes ist nicht absehbar

Doch wozu dieser riesige Aufwand? Die Arbeit ist nicht nur wichtig, um einen Überblick zu bekommen und zu erkennen, wo es Dubletten oder wertlose Objekte in der Sammlung gibt. Das Inventarisieren ermöglicht es auch, dass Teile gezielt im System gefunden und für Ausstellungen ausgewählt werden können. Zweimal war es schon der Fall, dass Einzelstücke der Öffentlichkeit im Kleihues-Bau präsentiert wurden, bei den Ausstellungen „Eine Frage der Form“ und „Helden des Südwestens“. Die Aufarbeitung ebnet außerdem den Weg für Leihgaben für andere Museen. So werden einzelne Objekte aus Kornwestheim bald im Hornmoldhaus in Bietigheim-Bissingen zu bestaunen sein. „Wenn es keinen direkten Bezug zu Kornwestheim gibt, können wir die Dinge an andere Museen weitergehen“, sagt Dams.

Wie groß der Bestand in einigen Jahren sein wird, ist nicht absehbar. Denn es werden nicht nur Gegenstände aussortiert, sondern möglicherweise auch neue hinzukommen. Nur sorgfältig ausgewählte Stücke dürfen künftig noch in die Kantstraße einziehen. Aber einen Aufnahmestopp verhängt Saskia Dams nicht. „Man muss vorausschauend sein und weiter sammeln“, betont sie.

Weitere Ausstellung wird vorbereitet

Nicht nur das Aufarbeiten der Objekte nimmt die Museumsleiterin und ihre Kollegin aktuell in Beschlag. Momentan geht es auch darum, bereits die nächste Ausstellung vorzubereiten, in der einige Stücke aus der kulturgeschichtlichen Sammlung glänzen dürfen. „Die fabelhaften Abenteuer von Lurchi und Mecki“ heißt die für November geplante Schau, in der Salamander-Exponate zu sehen sein werden. In der Ausstellung werden im Kleihues-Bau neben den Objekten aus Kornwestheim auch Leihgaben aus Hamburg gezeigt.

Diskussionen über die Immobilie

Zutritt
Feste Öffnungszeiten hat die Sammlung in der Kantstraße nicht. Auf Anfrage können interessierte Gruppen, beispielsweise Vereine, dort jedoch eine Führung erhalten. Forschende sind ebenfalls willkommen. Auch am Tag des offenen Denkmals gibt es Einblicke, der nächste Termin ist am 10. September.

Standort
Soll die kulturgeschichtliche Sammlung in der Immobilie in der Kantstraße bleiben oder wäre eine andere Lagerstätte sinnvoller? In der Politik sind mehrmals Forderungen laut geworden, dass der zentrale und innenstadtnahe Standort besser als Heimatmuseum oder Begegnungsstätte genutzt werden sollte. Bisher fanden solche Ideen keine Mehrheit.