Meinungsumschwung im Gemeinderat: nach anfänglicher Skepsis stellen nun auch die Kritiker eine mögliche Sanierung des Veranstaltungsorts in Aussicht. Allerdings soll der Kulturverein FKK sein Konzept nachbessern.

Göppingen - Das flammendste Plädoyer für den Erhalt der Chapel hat in der jüngsten Gemeinderatssitzung Marlene Lipp gehalten. „Stirbt die Chapel, gibt es keine Alternative mehr für junge Bands, für junge Künstler. Die Stadt gibt soviel Geld aus, um Göppingen attraktiver zu machen. Gleichzeitig die Chapel zu schließen, ist für uns ein Gegensatz“, argumentierte die Sprecherin des Jugendgemeinderats. Nun könnten die Kommunalpolitiker einmal zeigen, was ihnen die Jugend wert sei.

 

Ein Umdenken setzt ein

Der Appell scheint gefruchtet zu haben. Im Ringen um die Erhaltung der ehemaligen US-Kasernenkirche, die seit 1998 vom Verein Fabrik, Kunst und Kultur (FKK) betrieben wird, hat im Gemeinderat offenbar ein Umdenken eingesetzt. Noch vor zwei Wochen war die Mehrheit von FDP, Freie Wähler, CDU und der Fraktion der Linken und Piraten (LIPI) eher skeptisch. Nun scheinen auch deren Räte die Erhaltung der Veranstaltungsstätte zu favorisieren.

700 000 Euro müssen investiert werden

Wie berichtet ist die Chapel im Februar dieses Jahres als Veranstaltungsort geschlossen worden. In erster Brandschutzmängel und eine überalterte Elektroinstallation erfordern Investitionen in Höhe von rund 700 000 Euro. Eine Summe, die der Verein, der das Gebäude bisher in Eigenregie betrieben hat, aus eigenen Mittel nicht aufbringen kann. Eine Investition, die aber auch die Stadt nicht aus dem Ärmel schütteln will. In zahllosen Gesprächen wurde dem Verein signalisiert, dass er ein Betreiberkonzept vorlegen solle. Denn auch wenn man sich im Klaren sein müsse, dass eine Investition in die Chapel sich niemals über die Pacht refinanzieren ließe, müsse sich der Verein doch öffnen und breiter aufstellen, erklärte auch die Bürgermeisterin Gabriele Zull.

Entscheidung erst im Februar

Im Gemeinderat äußerten nun alle Fraktionen die Bereitschaft, die Chapel zu erhalten. Christoph Weber, der Fraktionschef der Grünen, schlug vor, in den kommenden Haushaltsberatungen die Kosten für die Sanierung zumindest schon einmal mit einem Sperrvermerk einzuplanen. Denn erst im Februar will sich der Gemeinderat endgültig festlegen, wie mit der Kulturstätte weiter verfahren werden soll. Bis dahin sollen die genauen Pachtmodalitäten ausgehandelt werden.

Wie damals bei Odeon?

Ein interessierter Zaungast des Tauziehens um die Chapel war auch Klaus Ege von der Kulturinitiative Odeon. Er fühle sich sehr an die Anfänge von Odeon erinnert, erklärt Ege. Jahrelang hatte der Verein um die Erhaltung und den Ausbau des Alten E-Werks gestritten. „Heute ist dieser Veranstaltungsort nicht mehr wegzudenken“, sagt Ege, was eigentlich auch für die Chapel gelte, die eine ganz andere Sparte besetze. Allerdings sei Odeon damals einen anderen Weg gegangen. „Wir haben uns lange überlegt, ob wir das E-Werk auch selbst verwalten wollen und uns letztlich dagegen entschieden“, erzählt Ege.

Dreimal so viele Veranstaltungen wie bisher

Im Alten E-Werk besetzt Odeon seine Termine und zahlt von den 20 000 Euro, die der Verein an Kulturförderung pro Jahr kassiert etwa 12 000 Euro pro Jahr an Miete an die Stadt wieder zurück. Bei der Chapel soll der Verein FKK als Hauptmieter agieren und auch für die Weitervermietung und künftige Kooperationen mit anderen Vereinen zuständig sein, die notwendig sind, um eine entsprechende Pacht zu erwirtschaften. Bislang hat der Verein ehrenamtlich rund 45 Veranstaltungen pro Jahr gestemmt. Dem neuen Konzept zufolge sollen es künftig bis zu 150 sein. Zusätzlich wollen sich die Mitglieder mit Eigenleistungen in die Sanierung einbringen. Unter anderem wollen sachkundige Mitglieder Architektenleistungen in fünfstelliger Höhe spenden. Auch darüber soll in den kommenden Wochen noch verhandelt werden.

Demnächst: Bellino-Party

Zunächst steht für den Verein allerdings der Saisonhöhepunkt an. Am 25. Dezember steigt die traditionelle „Bellino-Party“, die noch auf die Anfänge des Vereins in der Fabrik hinter dem ehemaligen Bellino-Gelände zurückreicht. Mittlerweile findet diese weit und breit größte Weihnachtsfeier mit zuletzt rund 2500 Besuchern in der Werfthalle im Stauferpark statt.

Kommentar: Mehr als eine Randnotiz

Von Klaus Nonnenmacher - Leserbriefe in der Lokalpresse, ein Banner im Sitzungssaal, Aufrufe in sozialen Netzwerken, Solidaritätsbekundungen aus dem kulturellen Umfeld, das alles war nicht vergeblich. Nun ist es doch zu den Bürgervertretern vorgedrungen, dass in der ehemaligen Kasernenkirche im Stauferpark abseits der gängigen Kulturschienen mit viel Engagement Raum für viele Möglichkeiten entwickelt worden ist.

Ob es nun der Musikverein Börtlingen, junge bildende Künstler oder Nachwuchsbands sind, sie alle haben unter anderen in der Chapel eine unkonventionelle Möglichkeit bekommen, sich zu präsentieren. Für die Mehrheit der Kommunalpolitiker scheint das kulturelle Aushängeschild im Stauferpark dennoch nicht mehr als eine kostenneutrale Randnotiz gewesen zu sein.

Dass das Engagement des Vereins für viele als unverzichtbar gilt, scheint ihnen erst jetzt bewusst zu sein, wobei: überzeugt wirken längst noch nicht alle Räte. Sie wollen abwarten, zu welchen Modalitäten die Sanierung abgegolten werden kann. Nun gilt es für den Verein zu hoffen, dass die Räte aus dem soziokulturellen Projekt in der Chapel keine gewinnbringende Spielstätte machen wollen. Das wäre bestimmt der endgültige Tod des bisher sicher amateurhaft unbestimmten, aber gerade darum für junge Menschen so attraktiven und abwechslungsreichen Konzepts.